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Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Titel: Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt
Autoren: André Ziegenmeyer
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Barmherzigkeit hatte man ihnen die Taschenlampe zurückgelassen. Sie lag auf dem Boden und leuchtete unbeteiligt gegen die nächste Wand. Doch ihr Schein wurde bereits schwächer.
    „Gnädigste“, begann der Bischof, „Sie scheinen mir über eine bemerkenswerte Kunstfertigkeit mit dem Knie zu verfügen.“
    „Oh, danke.“
    Er schluckte schwer.
    „Leider fürchte ich, dass es nun trotzdem um uns
geschehen ist.“
    „Nicht unbedingt“, brummte die Hexe, „nicht unbedingt.“

William und Lilly blickten über die Böschung auf das Tor hinab. Es war fest verschlossen, zwei Wächter standen davor. Alles wirkte sehr ruhig. Als William sich zu ihr umdrehte, bemerkte Lilly ein gewisses Leuchten in seinen Augen.
    „Damit kommen wir also zu Phase Zwei.“
    „Woraus besteht Phase Zwei, mein Schatz?“
    „Das kommt darauf an.“
    „Und worauf, wenn ich fragen darf?“
    „Wenn die beiden Erfolg hatten, fangen wir ein bisschen Rabatz an, um ihnen da drinnen etwas mehr Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Und falls irgendetwas schiefgelaufen sein sollte, dann... fangen wir ein bisschen Rabatz an, um sie rauszuhauen.“
    „Nur aus Interesse: Woran sollen wir erkennen, ob sie Erfolg hatten oder nicht?“
    Auf der Stirn des Kobolds bildete sich eine steile Falte, während er angestrengt nachdachte. Dann hellte sich seine Miene plötzlich auf.
    „In diesem Fall bin ich dafür, dass wir ein bisschen Rabatz anfangen. Zur Sicherheit.“
    „Ich liebe dein Talent für differenzierte Betrachtungen.“

Die drei Gefangenen hatten bereits geraume Zeit gehabt, um in einem einsilbigen Schweigen zu schmoren, als sie draußen auf dem Gang Stimmen vernahmen. Lichtschein huschte über die gegenüberliegende Wand.
    Wenig später erschienen einige Wächter, die über großzügige Prellungen und geschwollene Augen verfügten. Ohne ein Wort betraten sie den Raum und stellten zwei große Einmachgläser ab, in denen zwei missgelaunte Feenwesen zu sehen waren. Dann gingen sie wieder.
    „Na“, brummte Auguste, „dann sind wir jetzt ja wenigstens wieder alle beisammen.“



Kapitel 5
„Zeit der Ernte“
    Die Arche hatte ihr Aussehen in den letzten Stunden noch einmal gründlich geändert. Das helle Neonlicht war gegen eine gedämpfte und festliche Beleuchtung getauscht worden. Mehrere große Kandelaber standen in der Höhle verteilt. Auf der hintersten Querbrücke, am Kopfende der Höhle, hatte man eine Plattform errichtet, von der aus der ganze Raum zu überblicken war. Man hatte sie sogar dezent mit Blumen geschmückt. An allen Wänden hingen riesige purpurne Stoffbahnen, die in Gold gestickt das päpstliche Wappen trugen und beinahe bis zum Boden reichten.
    Anastasius XIII. war nicht mehr fern, doch das Publikum war ebenfalls noch nicht eingetroffen, und so war die Höhle gegenwärtig recht leer, was die feierliche Atmosphäre auf eigentümliche Weise noch tiefer werden ließ.
    Theodosius de Vendetta stand allein oben auf der Plattform und erteilte den Dekorateuren letzte Anweisungen. Auf seiner Stirn zeigte sich noch immer ein leichter Schweißfilm – und das hatte nichts damit zu tun, dass die Kandelaber auf Dauer eine beachtliche Hitze erzeugten.
    Er war mittlerweile über vierhundert Jahre alt. Die meiste Zeit davon hatte er zugegebenermaßen nicht mitbekommen, aber dennoch: Er hatte nicht so viele Jahre auf Erden verbracht und dabei ehrgeizige Pläne gesponnen, damit ihm kurz vor deren Erfüllung noch eine Panne unterlief. Und heute war es schon wieder verteufelt knapp gewesen. Wäre die Hexe nur eine halbe Stunde später aufgetaucht – er hätte keine Zeit mehr gehabt, etwas zu unternehmen.
    Man hatte ihm schon einmal einen Strich durch die Rechnung gemacht. Doch diesmal würde ihm kein solcher Fehler mehr unterlaufen. Diesmal nicht.
    Die neue Kirche hatte sich gewandelt. Sie musste um jeden Gläubigen kämpfen. Sie konnte sich keine Eitelkeiten mehr leisten, wenn sie ihre Stellung behalten wollte. Und Theodosius de Vendetta würde sie erretten. Gedankenverloren wedelte er mit der Hand, woraufhin ein an einem Flaschenzug befestigter Kronleuchter ein Stück nach rechts schwang.
    Er würde genau das tun, was er am allerbesten konnte: Einen neuen Glauben schüren. Einen Glauben, der jeden Zweifel überstand, weil er aus Gewissheit und Angst geschmiedet war.
    Zähneknirschend musste er zugeben, dass er den Bischof ein wenig unterschätzt hatte. Er wusste, dass Zacharias Korkenbaum mit vielem, das um ihn herum geschah, nicht
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