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Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Titel: Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt
Autoren: André Ziegenmeyer
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nicht schnell genug. Und vielleicht würde dich niemand hören.“
    Als Korkenbaum die Stimme hörte, wusste er, dass er einer Frau gegenüberstand, und er begriff, dass der schwarze Saum vermutlich zu einer Nonnentracht gehörte. Als seine verwirrten Gedanken sich gerade darüber zu wundern begannen, schwenkte die Lampe kurz nach oben und enthüllte ein Gesicht. Es war tatsächlich vom schwarzweißen Habit einer Nonne eingerahmt, doch vom friedlichen Glanz geistlicher Ruhe war auf seinen Zügen nichts zu erkennen. Im Gegenteil. Vor allem jedoch wurde sich Bischof Korkenbaum plötzlich bewusst, dass er dieses Gesicht schon einmal gesehen hatte.

Auguste Fledermeyer spürte, wie sie vor Anspannung zitterte. Ihr Wunsch nach einer unbeaufsichtigten Einzelperson hatte sich offenbar erfüllt, und sie kam nicht umhin, dafür dankbar zu sein. Auf der anderen Seite aber hatte sie sich diese Sache etwas anders vorgestellt, und es war nicht auszuschließen, dass aus der Begegnung schnell ein großes Problem wurde. Der bevölkerte Teil des Stollensystems war genau eine Gangbiegung entfernt. Wie hoch mochte die Wahrscheinlichkeit sein, dass sich dort gerade niemand befand?
    Unterdessen fand ihr Gegenüber seine Sprache wieder.
    „Du bist hierher zurückgekommen?“
    „Sehr fein beobachtet.“
    „Aber… wie?“
    „Nun, sagen wir, eine alte Freundin hat mir einen Tipp gegeben.“
    Soviel zum ersten Schlagabtausch. Auguste war der Ansicht, dass dieser Punkt an sie ging und es nunmehr an der Zeit war, die Initiative zu übernehmen.
    „Wo kommst du her? Wohin führt dieser Gang?“
    Der Bischof schien zu überlegen, und Auguste machte einen drohenden Schritt auf ihn zu.
    „Ich würde mir mit der Antwort lieber nicht zuviel Zeit lassen!“
    Zacharias Korkenbaum reagierte nicht. Für die Dauer einiger Sekunden verloren sich seine Gedanken in einem privaten Mikrokosmos. Die eigenwillige Kiste enthielt kein Fabelwesen. Es mochte ja sein, dass er dem Projekt von Anfang an mit einer gewissen Skepsis begegnete – aber jetzt hatte er ein paar grundsätzliche Fragen. Und vielleicht konnte ihm die Hexe sogar helfen. Blinzelnd kehrte er in die Wirklichkeit zurück und musste feststellen, dass sie von unerwartetem Schmerz erfüllt war. Auguste hatte ihm auf den Fuß getreten.
    „Aus welchem…“, begann er zögernd, „aus welchem Grund bist du zurückgekehrt?“
    „Nun, warum wohl? Sicher nicht, um die Aussicht zu genießen. Ich wollte mich dafür bedanken, dass man mich ein paar Jahrhunderte lang in diese Höhlen gesperrt hat.“
    Ganz langsam nickte der Bischof und blickte sie an. Auguste konnte sehen, wie verschiedene Kräfte hinter seiner Stirn miteinander rangen. Seine Kiefermuskeln spannten sich, und die Adern an seinen Schläfen pumpten hektisch.
    Schließlich sagte Zacharias Korkenbaum zwei Worte. Es geschah sehr leise, und fast hätte ihn Auguste nicht verstanden.
    Er sagte: „Komm mit.“
    Dann drehte sich der Bischof um und lief plötzlich wieder in das Labyrinth der halbverfallenen Gänge zurück. Auguste und Rasputin sahen einander an. Dann deutete der Wolpertinger mit seinem Schnabel zu einem kleinen Felsbrocken hinüber, der als Wurfgeschoss recht formidable Eigenschaften haben mochte. Doch die Hexe schüttelte den Kopf, aus irgendeinem Grund spürte sie Zweifel.
    In diesem Moment blieb der Bischof am Rande der nächsten Biegung stehen. Zögerlich machte er ihnen ein Zeichen, ihm zu folgen. Und auch wenn beide später die Frage nach dem Warum nie richtig beantworten konnten, kamen sie seiner Aufforderung nach.
    Immer tiefer führte er sie in die Stollen hinein, und mit der Zeit begannen Auguste und Rasputin an der Richtigkeit ihrer Entscheidung zu zweifeln. Erst als die Hexe sich doch wieder nach einem passenden Stein umblickte, blieb der Bischof plötzlich ganz von allein stehen. Sie blickten auf eine leere Türöffnung.
    „Was ist da drin?“
    „Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht.“
    Langsam und bedächtig zog Auguste eine Augenbraue in die Höhe, dann ging sie hindurch. Da es in dem Raum nicht sonderlich viel gab, dauerte es auch nicht lange, bis sie jenen Gegenstand erblickte, den Korkenbaum ihr hatte zeigen wollen.
    Argwöhnisch musterte sie ihn – dann machte etwas Feines und Unscheinbares in ihrem Bewusstsein ‚klick’. Die Hexe spürte, wie ihre Gedanken aus der Wirklichkeit herausgesogen wurden. Es begann als ein dumpfes Gefühl, genau in der Mitte ihres Gehirns. Rasch verwandelte es sich in eine Art
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