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Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Titel: Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
Autoren: Arto Paasilinna
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Alles in allem waren es an die hundert Kilometer.
    Lauri und Kalle fuhren diese Straßen ab, um sicherzugehen, dass keine gefährlichen Risse im Eis aufgetaucht und dass die Markierungen in Ordnung waren. Einmal kam ihnen ein einsamer Wolf entgegengetrabt, der aber Reißaus nahm, als er das Auto entdeckte.
    Anfang Februar gingen immer mehr Anfragen ein. Es waren so ungeheuer viele, dass weder Lauri und Kalle noch ihre Ehefrauen es schafften, alle zu beantworten. Sie mussten sich damit begnügen, den Ausländern, die zum Treffen anreisen wollten, allgemeine Hinweise zu geben. In der ersten Februarwoche trafen bereits die Ersten ein. Anfangs waren es kleinere Gruppen mit jeweils einem Dutzend Personen, aber in der zweiten Februarwoche hielten sich in Ivalo bereits mehr als tausend Anhänger des neuen Glaubens auf. Die Flugzeuge und Busse waren voll mit Reisenden, und je weiter der Februar voranschritt, desto lebhafter wurde die Pilgerbewegung.
    Zur Versorgung der Besuchermassen wurden auf dem Eis des Inarijärvi zehn Erste-Hilfe-Stationen und hundert Verpflegungsstationen eingerichtet. Um die Letzteren kümmerten sich die örtlichen Gaststätten- und Kioskbetreiber, die sich bemühten, den Ausländern lokale Delikatessen anzubieten, wie etwa Rentierwurst und Lapplandkäse. Für die Erste Hilfe sorgte das Rote Kreuz von Ivalo. Auch fünf Internetzelte wurden auf dem Eis errichtet.
    Oben auf dem Ukonkivi wurde eine Fläche von etwa einem Aar freigeschaufelt und darauf ein Feuer entzündet, ringsum wurden etwa fünfzig Gebetsmühlen platziert. Sie stammten bereits aus tschechischer Produktion und schienen gut zu funktionieren.
    Zwei Tage vor dem offiziellen Beginn des Treffens waren Schätzung der örtlichen Polizei zufolge mehr Leute angereist als zu den größten Skispielen vom Ounasvaara, nämlich insgesamt mehr als hunderttausend Personen, die meisten davon waren Ausländer. Die Gäste kauften Proviant ein und begaben sich auf den See. Am Vorabend des Treffens teilte eine Streife der mobilen Polizei, die den Straßenverkehr regelte, mit, dass allein in Veskonniemi mehr als siebzigtausend Reisende eingetroffen waren, zu Fuß, mit Taxis oder gecharterten Bussen. Im Kirchdorf Inari und um den Ukonkivi herum hielten sich fünfzigtausend Menschen auf.
    Um die Polizei bei der Regelung und Überwachung des Verkehrs zu unterstützen, wurde die Grenzkompanie von Ivalo abkommandiert.
    Am Tag des eigentlichen Treffens würden sich in der Gemeinde Inari vermutlich an die zweihunderttausend Ausländer aufhalten. Das Ereignis, das Lauri und Kalle inzwischen Völkerwanderung getauft hatten, machte ihnen allmählich Angst, und sie bereuten bereits ihre jungenhaft gedankenlose Gründung einer neuen Religion.
    Am Tag der Andacht strömten vom frühen Morgen an immer mehr Ausländer auf den zugefrorenen See. Sie kamen zu Tausenden, zu Abertausenden, die Polizei konnte gar keine genauen Zahlen mehr ermitteln. Nie zuvor in der Geschichte der ganzen Gegend hatten sich auf dem Eis des Inarijärvi so viele Menschen gedrängt. Nicht einmal während des Zweiten Weltkriegs, obwohl damals Hunderttausende deutscher Soldaten Lappland besetzt hatten.
    Zum Glück war das Wetter passabel: zwanzig Grad unter null, klarer Himmel und fast kein Wind. Die Gäste verteilten sich über die weiß schimmernde Eisfläche. Hier und dort wurden Lagerfeuer entzündet. Die Teilnehmer schlossen miteinander Bekanntschaft und umarmten sich. So empfahl es die neue Religion ihren Anhängern. Viele erzählten, dass ihr Leben eine neue Richtung bekommen hatte, da sie nun jeden Tag gute Taten begingen und Missetaten vermieden.
    Am Nachmittag veranstalteten Züchter der örtlichen Weidegemeinschaft Fahrten mit Rentierschlitten und ließen eine hundertköpfige Herde zu Demonstrationszwecken am nördlichen Seeufer weiden. Die Tiere waren unruhig angesichts der riesigen Menschenmenge, aber die geübten Hütehunde hielten die Herde zusammen, sodass es zu keinen Schäden kam.
    Die winterliche Polarnacht senkte sich bereits am frühen Nachmittag über den See mit all den vielen Menschen. Vom Plateau des Opferfelsens ertönten machtvolle Klänge aus Dutzenden von Gebetsmühlen. Die Gastgeber hatten verschiedene feierliche Musikstücke auf die Tonbänder überspielt, unter anderem den Pori-Marsch und sogar ein paar laestadianische Choräle. Die Stimmung war intensiv wie auf dem besten Pilgerfest. Ganz von allein und ohne besondere Aufforderung veranstalteten die Menschen eine
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