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Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Titel: Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
Autoren: Arto Paasilinna
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den hohen Gast zu empfangen. Die Begegnung auf dem Flughafen war herzlich, und siehe da, aus den Ärmeln von Schneemensch Tsu lugten die neugierigen Bartgesichter der Mungos. Sie waren also nach den Quarantänewochen in Brüssel für gesund und somit für reisetauglich befunden worden. Nachdem die Gesellschaft mit einer kurzen Zeremonie beglückt worden war, begab man sich ins Hotel. Gegen Abend bat der Dalai Lama Lauri und Kalle mit ihren Frauen in sein Zimmer, er hatte anscheinend etwas Lustiges vor. Und tatsächlich. Die Mungos waren in Aktion gewesen, sie hatten das Bett des Dalai Lama zerwühlt, und als Tsu sie ausschimpfte, glätteten sie alles flink und geschickt. Dann setzten sie sich hin und warteten auf neue Befehle vom Schneemenschen.
    »Urk, urk.«
    So sprach Tsu mit den Mungos, und es klang nicht mal übel. Die Tierchen flitzten sofort in den Bettbezug und zerrten die Decke heraus, und nachdem sie zur Belohnung einen Leckerbissen erhalten hatten, bezogen sie das Bett wieder und machten alles ordentlich zurecht. Eindeutig also, dass die Methode, die Kalle unlängst entwickelt hatte, ausgezeichnet funktionierte. Die lebhaften Tierchen waren ebenso geschickt wie professionelle Zimmermädchen.
    Am nächsten Morgen flog die Gesellschaft mit Helikoptern der Grenztruppen in die Einöde von Savukoski. Ganz an den Berg Korvatunturi kamen sie nicht heran, die Maschinen landeten fünf Kilometer vor dem verabredeten Treffpunkt, da im Grenzgebiet Flüge nur eingeschränkt erlaubt sind. Rentierschlitten wurden bestiegen, und im feierlichen Konvoi ging es bis ans Ziel, dazu leuchteten hell und warm die Weihnachtsfeuer. Ein paar Lappländer und der Weihnachtsmann warteten bereits, und sie waren tatsächlich alle nüchtern, so wie mit Lauri vereinbart.
    Der Weihnachtsmann und die Rentiermänner joikten ein bisschen, anschließend sangen Lauris und Kalles Frauen finnische Weihnachtslieder. Die Lappländer brieten Rentierfleisch, der Weihnachtsmann röstete Wurst, und Lauri bereitete für den Dalai Lama indisch-lappländisch gebackene Grauforelle zu. Das Rezept hatte er vorab studiert, zu Hause mehrmals ausprobiert und ins Samische abgewandelt. Anstelle von Reis bot er gekochte einheimische Kartoffeln an. Alle hatten großen Hunger und ließen sich das Essen schmecken. Um die Mittagszeit war vom unteren Teil des Berghanges her eine laute Frauenstimme zu hören, und bald tauchte eine Gruppe von Skiläufern auf, angeführt von niemand anderem als Lapplands energischer Gouverneurin Hannele Pokka. Ihr folgten einige Offiziere der Grenzwache, dahinter wiederum schwangen der Kanzleichef der Bezirksregierung und mehrere Beamte die Skistöcke. Hannele Pokka legte ein erstaunlich hohes Tempo vor und brachte es dabei noch fertig, ein lebhaftes Gespräch in Gang zu halten. Als die Chefin der Bezirksregierung den Unterstand und die versammelte Gesellschaft entdeckte, kam sie zielstrebig herbei und stellte ihre Begleiter vor. Sie war ziemlich verblüfft, als sie erfuhr, welcher Gast aus dem fernen Indien hier beim Weihnachtsmahl am Berg Korvatunturi saß. Der Dalai Lama, die Gouverneurin, die Beamten der Bezirksregierung, die Offiziere der Grenzwache, die Rentiermänner und der Weihnachtsmann sowie natürlich die Lonkonens und Homanens saßen anschließend mehrere Stunden beisammen und unterhielten sich über die Angelegenheiten und Probleme Indiens, Chinas, Tibets und Finnlands. Zwischendurch verteilte der Weihnachtsmann Geschenke. Die meisten Anwesenden erhielten Kalles neueste kleine Erfindung, ein vielseitiges Lesezeichen. Es enthielt eine winzige, leichte Taschenlampe zur Beleuchtung in nächtlichen Lesestunden, außerdem konnte man es auch als Taschenmesser, Korkenzieher, Schuhlöffel, Rückenkratzer und Pfannenwender benutzen.
    Der Schneemensch bekam eine Gebetsmühle neuester Bauart, auf ihr hatte Irma Lonkonen ihr Leben im nächtlichen Ehebett gespeichert, da sie annahm, dass es den Empfänger interessieren würde. Tsu nahm den Schatz errötend entgegen und überreichte nun seinerseits Lauris Frau einen hölzernen Halsschmuck, den er seinerzeit im Himalaja geschnitzt hatte. In den Augen des Kirgisen, der einst das grimmige Raubtier in den schneebedeckten Bergen gespielt hatte, schimmerten echte Tränen.
    Bevor die Dunkelheit hereinbrach, bestiegen die Gäste die Helikopter. Die Gouverneurin blieb mit ihrer Begleitung noch auf dem Berg, um die Weihnachtsstimmung zu genießen, der Weihnachtsmann und die Rentiermänner leisteten
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