Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sag Mami Good bye - Fielding, J: Sag Mami Good bye - Kiss Mommy Good Bye

Titel: Sag Mami Good bye - Fielding, J: Sag Mami Good bye - Kiss Mommy Good Bye
Autoren: Joy Fielding
Vom Netzwerk:
1
    »Könnten Sie das ein wenig konkretisieren, wenn Sie von ›sonderbarem Verhalten‹ rechen?«
    »Konkretisieren?«
    Der Anwalt ließ ein Lächeln wohlgeübter Geduld sehen, und seine Stimme war voller Verständnis, als er fortfuhr:
    »Ja. Könnten Sie uns vielleicht Beispiele nennen für das, was Sie uns beschrieben haben als sonderbares Verhalten Ihrer Frau im Laufe der letzten Jahre?«
    »Oh, ja. Gewiß.« Der Mann nickte.
    Wie erstarrt saß Donna Cressy auf ihrem Stuhl, und voll Anspannung beobachtete sie den Mann im Zeugenstand – ihn, der sechs Jahre lang ihr Ehemann gewesen war: Victor Cressy, achtunddreißig, fünf Jahre älter als sie. Unbeirrt fuhr er fort, ihr Selbstbewußtsein zu zerstören, Stück für Stück, Atom für Atom (wie Aschenstäubchen aus dem Ofen eines Krematoriums). Alles wurde seziert: jedes Wort, das sie in ihrer Ehe jemals geäußert hatte, selbst der Tonfall, die kleinste Nuance. Es schien nichts zu geben als eine Interpretation oder, anders ausgedrückt, den Blick durch seine Brille. Sie fühlte sich versucht zu lächeln. Warum auch hätte es bei der Scheidung anders sein sollen als während ihrer Ehe.
    Sie betrachtete sein Gesicht und wünschte, sie könnte so sein wie eine der Frauen, von denen sie so oft gelesen hatte: die beim Blick auf den einstigen Ehemann oder Geliebten nicht mehr verstehen konnten, was sie in dem denn je gesehen haben mochten. Was sie selbst betraf, so sah sie noch immer alles genau wie damals
– das attraktive, freundlich wirkende Gesicht mit den nachdenklichen blauen Augen, dem fast schwarzen Haar, dem vollen Mund. Bei aller Sensibilität besaß es auch etwas Herrisches, und die Stimme war die Stimme eines Mannes, der sich Respekt zu verschaffen verstand, aber auch Respekt zollte.
    »Sie hörte auf, Auto zu fahren«, sagte Victor wie verwundert. Offenbar war dies etwas, das über sein Begriffsvermögen ging. »Hörte auf – ja, wieso denn?« hakte der Anwalt nach. »Hatte sie einen Unfall gehabt?«
    Er war wirklich ein ausgezeichneter Anwalt, mußte Donna zugeben. Hatte Victor nicht sogar gesagt, er sei der beste in ganz Florida? Verwundern konnte das kaum. Für Victor war das Beste immer gerade gut genug. Anfangs hatte sie das an ihm bewundert, später mehr und mehr verabscheut. Schien es nicht unfaßbar, daß man das, was man einmal geliebt, am Ende verachten konnte?
    Komisch eigentlich. Komisch, daß der routinierte Anwalt und sein Mandant die einstudierte Szene so »brachten«, daß alles ganz spontan wirkte. Von ihrem eigenen Anwalt wußte sie: Ein guter »Mann vom Fach« stellt niemals eine Frage, deren Beantwortung er nicht im voraus kennt. Auch ihr Anwalt genoß einen ausgezeichneten Ruf als Jurist – konnte jedoch mit Victors Anwalt nicht ganz mithalten.
    »Nein. In all den Jahren, die ich sie kannte, hatte sie niemals einen Unfall«, erwiderte Victor. »Mit sechzehn lernte sie fahren, und soweit ich weiß, geht nicht einmal eine Delle im Kotflügel auf ihr Konto.«
    »Wie war das nach der Heirat? Ist sie damals viel gefahren?«
    »Aber ja, dauernd. Zu unserem zweiten Hochzeitstag kaufte ich ihr ein Auto, einen kleinen Toyota. Sie war überglücklich.«
    »Und eines Tages hörte sie plötzlich mit dem Fahren auf?«
    »Ganz recht. Urplötzlich weigerte sie sich. Wollte sich nicht mehr ans Lenkrad setzen.«

    »Gab sie irgendeine Erklärung dafür?«
    »Sie sagte, sie wolle nicht mehr fahren.«
    Ed Gerber, Victors Anwalt, hob die Augenbrauen, runzelte die Stirn und spitzte die Lippen. Ein Meister der Mimik, dachte Donna. »Wann genau war das?«
    »Vor ungefähr zwei Jahren. Nein. Ist vielleicht schon ein wenig länger her. Muß so um die Zeit gewesen sein, als sie mit Sharon schwanger war. Sharon ist jetzt sechzehn Monate alt. Ja, doch, vor ungefähr zwei Jahren.« Seine Stimme klang tief und nachdenklich.
    »Hat sie seither wieder ein Auto gefahren?«
    »Nicht daß ich wüßte.«
    »Und eine mögliche Ursache für dieses Verhalten ist Ihnen nicht bekannt?«
    »Ganz recht. Allerdings...«, er hielt inne, schien nicht recht zu wissen, ob er fortfahren sollte, »einmal habe ich beobachtet, wie sie sich ans Lenkrad setzte. Das war etwa vor einem Jahr, und sie dachte, ich schliefe noch...«
    »...schliefen noch? Welche Uhrzeit war es denn?«
    »Kurz nach drei Uhr morgens.«
    »Was suchte sie dort draußen, um drei Uhr morgens?«
    »Einspruch.« Er kam von ihrem Anwalt. Mr. Stamler. Mr. Stamler und Mr. Gerber glichen einander fast wie ein Ei dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher