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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen
Autoren: Bastei Lübbe
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dem Patienten dabei, aus einem der mechanisierten Betten aufzustehen. Verbrennungen zogen sich seitlich am Gesicht des Patienten nach unten, und ein Arm und die Rumpfflanke auf dieser Seite zeichneten sich hässlich unter einer Art durchsichtigem Überzug ab. Ein schwerer Unfall musste geschehen sein, in den Jem selbst verwickelt gewesen war. Ihn schauderte, und er wandte sich wieder der Frau zu, die als Nächstes etwas an seiner Kehle manipulierte. Ein Laut stieg von dort auf, halb Seufzer, halb Stöhnen.
    »Okay, der Stimmgenerator ist aktiviert«, sagte sie.
    Unvermittelt fiel ihm ein, dass er schon vorher wach geworden war und zu sprechen versucht hatte – zu verlangen versucht hatte, dass sie nur Theokratietechnik an seinem Körper verwendete –, aber der ganze Mund war starr gewesen, und er hatte nur Laute aus dem Rachen hervorstoßen können. Er probierte es erneut, und obwohl der Mund starr blieb, vervollständigte das Gerät an der Kehle die dort erzeugten Laute.
    »Ich brauche keine gottlose Polismaschine, die mir zu sprechen verhilft.«
    Sie starrte ihn eine ganze Weile lang an und sagte schließlich: »In alter Zeit nannte man das: die Augen vor den Tatsachen verschließen. Sicherlich haben Sie doch genug gehört, um inzwischen Bescheid zu wissen?«
    Zwei Reihen gelber Augen öffneten sich, und von irgendwoher ertönte ein entsetzliches Wiehern und Klicken. Dann wurde alles von einem Wirbel aus diesen euklidischen Formen fortgetragen.
    »Ich kann anscheinend nicht blinzeln«, stellte er fest.
    »Sicherlich liegt der Grund dafür doch offen zutage, wenn Sie darüber nachdenken?«
    »Was haben Sie mit mir gemacht?«
    »Sie am Leben gehalten. Sie sind der einzige bekannte Fall eines Menschen, der den Angriff eines Kapuzlers überlebt hat. Deshalb weilen Sie noch unter uns.« Sie klang jetzt zornig. »Ihre Proktorenkollegen hatten weniger Glück.« Sie deutete auf die übrigen Betten. »Ich hatte hier bislang dreihundert Fälle, und Sie sind darunter der einzige überlebende Proktor.«
    Glaube ist tot.
    »Das ist lächerlich! Entfernen Sie sofort diese Halteriemen.« Aber noch während er das sagte, erschrak er vor etwas, das in sein Bewusstsein stieg. Glaube ist tot? Was hatte das zu bedeuten? Er versuchte, über seinen Verstärker, seine Gabe, eine Verbindung aufzubauen, erzielte aber keinerlei Reaktion.
    »Oder liegt hier mehr vor als eine Leugnung von Tatsachen?«, fragte sich die Frau. »Erzählen Sie mir, Tombs, woran Sie sich erinnern.«
    »Eine Art Zwischenfall … einen Unfall.« Er unterbrach sich und sammelte seine Gedanken. »Offenkundig war es ein schwerwiegendes Ereignis, oder ich läge jetzt in einem städtischen Krankenhaus statt in dieser provisorischen medizinischen Einrichtung.« Er versuchte, auf die Umgebung zu deuten, aber sein Arm war nach wie vor angeschnallt.
    »Der Untergrund?«, gab sie ihm ein Stichwort.
    Ah, jetzt war es offensichtlich!
    »Ich verstehe – diese Maden haben eine Bombe gelegt, nicht wahr?«
    Sie starrte ihn ungläubig an, schüttelte dann nur den Kopf und ging weg.
    Jem inspizierte erneut die Umgebung und fragte sich allmählich, ob er die Lage zutreffend einschätzte. Polisgeräte wurden hier eingesetzt, und man hatte die Worte der Schrift an der Wand übermalt … Vielleicht war das hier auch gar keine Schlafbaracke für Teicharbeiter, ungeachtet der Ähnlichkeit. Mit unvermitteltem Grauen wurde es ihm klar: Er war Gefangener des Untergrundes! Sie hatten etwas auf der Erdoberfläche im Triada-Lager angerichtet und ihn geschnappt. Die Menschen in den übrigen Betten waren Rebellen, die im Zuge der Ereignisse verletzt worden waren. Vielleicht war auch er verletzt worden, aber man würde ihn, was ihm sicher erschien, bald verhören. Er kämpfte gegen die Halteriemen an, erreichte jedoch gar nichts. Polistechnik; sie hatten ihm einen Nervenblocker verabreicht, was wahrscheinlich auch der Grund dafür war, dass er nicht richtig sprechen konnte. Er vermochte gar nichts auszurichten.
    »Ich kann Sie nicht komplett wiederherstellen.«
    Sie war wieder zurück und stellte einen Stuhl neben sein Bett, und sie trug etwas unter dem Arm, was in weißes Tuch eingewickelt war. Diesen Gegenstand platzierte sie neben ihm auf dem Bett, während sie sich setzte. Dann holte sie einen weiteren Gegenstand aus der Tasche – einen kleinen Handspiegel – und legte ihn mit der Spiegelfläche nach unten ebenfalls aufs Bett.
    »Sie erfahren gar nichts von mir«, erklärte er. »Sie haben
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