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Snapshot

Snapshot

Titel: Snapshot
Autoren: C Robertson
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    Sonntag, 11. September
    Es regnete. Natürlich regnete es. Glasgow halt. Für das satte Grün, mit dem in den Reisekatalogen für Schottland geworben wurde, brauchte es eben ein bisschen Regen.
    Hunderte Gestalten drängten sich vor dem Eingang des Blochairn Market und waren verdammt stinkig, aber nicht so sehr wegen des Pisswetters.
    Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Nach diesem Prinzip wurden die Stellplätze vergeben, weshalb jeder versuchte, möglichst früh da zu sein. Einige hatten bestimmt schon um vier Uhr morgens angestanden. Jetzt war es kurz nach sieben, auch wenn es sich für Tony Winter immer noch wie tiefste Nacht anfühlte. Die lieben Leute hier waren wahrscheinlich schon vorher ziemlich mies drauf gewesen– und dann mussten sie auch noch ihren Stand verlassen und draußen warten, weil es irgendeinem egozentrischen Arschloch eingefallen war, sich ausgerechnet hier und jetzt abstechen zu lassen.
    Winter hob die Kamera und drückte ab. Ein Schnappschuss vom Eingang des Markts, um das Umfeld des Tatorts zu dokumentieren. Streng genommen war das nicht nötig, aber er hatte es schon immer so gehalten. Genau wie Metinides, und was für Metinides gut genug war, konnte ihm nur recht sein.
    Die versammelten Wartenden starrten allesamt auf den Eingang. Manche hockten im Wagen, andere gingen auf und ab wie gestörte Bären im Zoo. Winter konnte sie unauffällig von hinten ablichten, ohne dafür den Schädel eingeschlagen zu bekommen. Reihenweise Autos, darunter zahlreiche Kleintransporter, ausnahmslos bis unters Dach vollgestopft mit allem möglichen Kram. Die meisten Rückfenster komplett dicht vor lauter Schachteln und Klamotten. Und irgendwie dazwischen eingeklemmt, zwischen Tapeziertischen und Plastikplanen: die Verkäufer, die langsam ungeduldig wurden. Der frustrierte Mob, der im plätschernden Regen mit den Hufen scharrte. Ihnen war es egal, dass da irgendein armer Arsch um die Ecke gebracht worden war. Sie wollten nur endlich wieder rein und ihre alten Schuhe und ihre Kosmetika-Ausschussware verscherbeln.
    Der allsonntägliche Flohmarkt in Blochairn, ein paar Minuten nördlich vom Glasgower Zentrum, der größte Flohmarkt Schottlands und einer der größten Europas. Hier bekommt man alles– von fast vollständigen Puzzles bis zu Designermänteln, von Büchern bis zu Schmuck und alles dazwischen. Nicht zu fassen, was die Leute so kaufen.
    Winter war schon mal hier gewesen. Damals hatte er beobachtet, wie sich zwei Frauen um ein paar zerschlissene Geschirrtücher geprügelt hatten. Zehn Pence das Stück. Auf den Teilen klebte wahrscheinlich ein ganzes Jahrzehnt Fett und Dreck, aber immer noch besser als gar keine Geschirrtücher, oder? Das war Armut, echte Armut. Vielleicht wären die Leute nicht ganz so arm gewesen, wenn sie ihren Zigaretten- und Schnapskonsum ein wenig eingeschränkt hätten. Aber sie waren nun mal, wie sie waren, und Winter würde sich ganz sicher kein Urteil erlauben.
    Noch vor der Dämmerung rollten die ersten Wagen zum Eingang. Da standen sie dann, im Dunkeln, und warteten darauf, dass es endlich losging. Mit der Zeit beschlugen die Scheiben, der Nebel eines halbherzigen Optimismus legte sich aufs Glas. Und kaum waren sie aufgetaucht, leuchteten ihnen die ersten Taschenlampen ins Gesicht, klopften die ersten Besucher ans Fenster. Gierige Gesichter und hin und her huschende Augen. Was haste dabei? Handys? Gold? Und was willste dafür?
    Möglichst schnell alles loswerden, was man mitgebracht hatte, und dann wieder abhauen. So lief das hier normalerweise, aber der heutige Tag war anders. Heute, an diesem Septembermorgen, der sich wie so viele Septembermorgen redlich bemühte, einen hässlichen Dezembernachmittag zu imitieren, standen zwei Cops vor den verriegelten Toren des Markts, andere hatten sich drinnen bereits ans Werk gemacht. Gleich würde Winter dazustoßen.
    Auf dem Weg ins Innere nickte er Sandy Murray und Jim Boyle zu, den beiden Police Constables, die am Eingang Wache hielten.
    » Alles klar, Winter? Ein neuer Tag, ein neuer Toter, was?« Jedes Mal brachte Boyle denselben schlechten Scherz.
    Murray räusperte sich. » Übrigens, Tony. Addison, der alte Wichser, ist ziemlich mies drauf. Also wie immer eigentlich.« Addison und Murray hatten sich noch nie leiden können, und der Detective Inspector hatte dem PC auch schon ein paar Mal gehörig den Arsch versohlt. Wahrscheinlich war Addison gar nicht so angefressen, wie Murray behauptete. Wahrscheinlich war er wirklich nur
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