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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen
Autoren: Bastei Lübbe
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und wollte schlafen. Er versuchte das Auge zu schließen, aber er sah nach wie vor.
    »Was meinst du damit?«
    »Allein aufgrund dessen, was er überlebt hat, hast du ihn gerettet und hergebracht«, dozierte sie. »Man findet keinen Menschen, der auf diesem Planeten lebt und dessen Raubtiere nicht mit abergläubischer Scheu betrachtet. Gib es zu!«
    »Er muss verhört werden«, sagte der Soldat und wandte sich ab. »Wir müssen erfahren, was passiert ist.«
    »Grant«, sagte die Frau, als er Anstalten traf zu gehen.
    »Was?«, feuerte er zurück und drehte sich verärgert um.
    »Vielleicht solltest du dir diese Scheu bewahren.«
    »Wieso?«
    »Nun ja, so seltsam es klingt, der Kapuzler hat ihm das Leben gerettet. Ich habe den Mann schon kurz untersucht und Spuren von Verbrennungen rings um die Myzelien gefunden, die in seinen Schädel eindrangen. Zum exakt richtigen Zeitpunkt hat ihm der Kapuzler den Verstärker heruntergeschnitten, als dieses Gerät gekapert wurde – hat es ihm heruntergeschnitten und zugleich das Gesicht abgezogen.«
    Die Worte sagten Jem nichts, während sich die beiden durch einen langen dunklen Tunnel zu entfernen schienen, aber etwas, was sie gerade gesagt hatten, lockte eine frische Erinnerung an die Oberfläche seines Denkens.
    Glaube ist tot.
    Nach Behemoths Ableben und dem Aufstieg des Hierarchen war der Teufel erschienen. Er packte Ragnarök, die Waffe, mit deren Hilfe die Theokratie Rebellen zu vernichten trachtete, die in einem echten Untergrund hausten, und schleuderte sie ins Angesicht des Gasriesen Kalypse. Er brannte Glaube aus und brachte den Hierarchen um – ein Lehrbeispiel für die Folgen der Anmaßung. Und Glaube, eine Zylinderwelt mit Zehntausenden Seelen, wurde durch das Feuer einer entsetzlichen apokalyptischen Waffe vernichtet.
    Dann ergriff der Teufel mithilfe der Gabe der Dracocorp-Verstärker die Macht über die Bruderschaft – die Verstärker wurden an den Schädeln aschfarben, und alle Gedanken tanzten nach seiner Musik. Jem wusste noch, wie er dagegen angekämpft hatte, wie er gesehen hatte, dass seine Kameraden aus dem Triada-Lager ringsherum zu Zombies wurden, und er wusste noch, dass er damit gerade gescheitert war, als er eine Begegnung hatte, in deren Verlauf etwas ihn in seine persönliche Hölle warf und dort seiner Gabe beraubte. Dann meldete sich die Hölle auf einmal zurück.
    »Wirkt dieses Schmerzmittel nicht?«, fragte der Soldat.
    »Doch«, antwortete die Frau.
    »Woher dann dieses Geräusch?«
    »Ich weiß nicht.«
    Die höllischen gelben Augen des Dämonen waren zurück und wetzten erneut ihre Messer.
    Ein Motor jaulte, und das Bett vibrierte unter ihm, während sich das Rückenteil hob und ihn so langsam in die Sitzhaltung beförderte. Das rechte Auge wirkte wie zugeklebt, und das Bild, das vom linken übermittelt wurde, war verschwommen, aber eine Frau in Weiß beugte sich herab und sprühte etwas hinein, und die Eindrücke wurden deutlicher. Er versuchte zu blinzeln, um den Vorgang zu beschleunigen, aber nichts geschah. Es schien, als wäre das Augenlid in offener Stellung festgeklebt.
    Wie tollpatschige Nebelriesen fuhrwerkten unklare Erinnerungen in seinem Kopf herum: von einem Feuer irgendwo, Explosionen, Schüssen … und deutlicher als alles andere seltsame euklidische Formen, die sich irgendwie zu einem Gesamtmuster fügten. Auf einen Klicklaut hin krochen ihm kalte Finger den Rücken hinab, und er wandte die Aufmerksamkeit der Quelle zu: eine Art Maschine, die nach einem großen Chrominsekt auf einem Sockel aussah. Sie hatten hier Polistechnik!
    Er nahm die Umgebung weiter in Augenschein. Sein Bett gehörte zu einer Zehnerreihe auf dieser Seite des Zwischengangs, der etwas durchschnitt, das nach einer Schlafbaracke für Teicharbeiter aussah. Zehn Betten standen auch auf der anderen Seite aufgereiht. Fünf davon waren mechanisierte Krankenhausbetten wie seines, allesamt belegt; bei den übrigen handelte es sich um einzeln aufgestellte Stockbetten, von denen acht belegt waren. Man hatte die Wände der Schlafbaracke jüngst weiß gestrichen und damit die Worte der Heiligen Schrift und Leitsprüche übertüncht, die normalerweise dort geschrieben standen – was rätselhaft war.
    Medizinische Geräte beanspruchten Platz zwischen den Betten; in manchen davon erkannte er Produkte der Theokratie wieder, während andere wie dieses insektenhafte Ding kleinere, elegantere Polisgeräte waren. Direkt gegenüber half gerade ein weiß gekleideter Arzt
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