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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen
Autoren: Bastei Lübbe
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Schädel verkürzt, die mahlenden Platten entfernt, sie entlang einer Kante zu Stacheln geschnitten und seitwärts eingefügt, um den Schädel mit spitzen Zähnen auszustatten. Das Ding saß aufrecht da wie die Statue irgendeines Gottes der Menschheit, was vielleicht erklärte, warum die Proktoren der Theokratie diese Dinger zerstörten, wenn sie sie vor Chanter in die Hand bekamen.
    Die Rippenknochen waren vertikal verbunden worden und ergänzten die Plastik an der Unterseite, sodass eine kegelförmige Struktur entstand. Die Hinterbeine ragten, an der Rückseite angefügt, nach oben und waren stark umgebaut worden: die langen Knochen der Länge nach in dünne Scheiben geschnitten und ausgespreizt, beinahe wie die Federn eines Pfaus. Die Vordergliedmaßen bildeten eine Schlaufe, die von der Oberseite des Kegels bis zur Basis reichten – ein perfekter Kreis.
    Chanter pfiff, und Mick rollte aus dem Erd-Uboot hervor, die langzehigen Füße fast wie Paddel aus den Flanken des niedrigen, flachen lausähnlichen Robotchassis gereckt, damit die zerbrechliche Wurzelstockmatte sein Gewicht hielt. Mick näherte sich schnurstracks der Plastik. Seine Stielaugen klappten unter der Vorderkante hervor und inspizierten das Ding einen Augenblick lang; dann entfalteten sich Arme beiderseits des flachen Rumpfs, sondierten mit langen Fingern die Knochenarbeit und stellten sicher, dass das Ding unbeschädigt blieb, wenn es auf Micks flach gerippten Rücken geladen wurde. Wenig später hatte Mick die Plastik sicher an Bord des Erd-Uboots verstaut.
    Chanter seufzte aufs Neue und wurde sich darüber klar, dass er keinerlei Erkenntnisfortschritt im Hinblick auf die Arbeit dieses Künstlers erzielt hatte. Diese Plastik würde sich zu der unergründlichen Sammlung in seinem unterirdischen Stützpunkt hinzugesellen. Natürlich dürfte ihn selbst nach fünfzig Jahren dieser Mangel an Verstehen nicht erstaunen. Er hatte es hier mit keinem alltäglichen Künstler zu tun. Der Techniker, wie ihn einige inzwischen nannten, war wirklich ein sehr seltsames und tödliches Untier.
Die Rebellion aus der Tiefe (Solstan 2437)
    »Verdammt!«, rief Chanter.
    Er packte die Konsole, raffte sich mithilfe dieser Haltemöglichkeit wieder vom schrägen Deck seines Erd-Uboots hoch und plumpste zurück in den Sitz. Sobald er sich dort niedergelassen hatte, schloss er die Sicherheitsgurte, die er normalerweise nur benutzte, wenn er besonders feuchte Erdschichten durchquerte – das Zeug, in dem sich Strömungen bewegten und in dem auch Trikonusse unterwegs waren, die die Ausmaße von Gravofahrzeugen erreichten.
    Er rief eine seismische Karte auf dem Bildschirm auf, erstellt mithilfe diverser Infraschallsender, die er überall auf Masada installiert hatte. Was er darauf sah, ergab nicht wirklich Sinn.Zunächst hatte er gedacht, dass die Druckwelle, die sein Beförderungsmittel erschüttert hatte, aus der Erprobung der neuen Waffe der Theokratie resultierte – jener gewaltigen Gaußkanone mit der Bezeichnung Ragnarök, mit deren Hilfe Geschosse direkt durch die Berge ins Höhlensystem der Rebellen gejagt werden sollten –; aber nein, sie konnte nicht so schnell in Stellung gebracht worden sein, und die Ergebnisse im Display passten nicht so recht dazu. Die seismische Karte zeigte, dass etwas Großes, gerade mal fünfzig Kilometer von der Position, die er derzeit unterhalb der Erdoberfläche einnahm, niedergegangen war, aber auch, dass es nicht heftig genug niedergegangen war, um auf einen direkten Sturz aus dem Orbit zurückzugehen.
    Er brauchte mehr Daten – etwas geschah hier, und er musste herausfinden, was das war. Um diese Daten zu sammeln, musste er auftauchen und nachsehen. Er schaltete den Förderantrieb des Fahrzeugs ein, und dieses schlängelte sich weiter und bewegte sich schließlich aufwärts, als er die Lenksäule nach oben zog. Gelegentliche Stöße kündeten davon, dass immer wieder mal ein Trikonus aus dem Weg geschoben wurde, aber von ihnen ging kaum eine Gefahr für Chanter aus, wenngleich ihre mahlenden Zungen auch das robusteste Metall pulverisieren oder in Schlamm verwandeln konnten; schließlich bemühte er sich, hier draußen nicht lange genug an einer festen Position zu bleiben, damit sie sich ringsherum ballen konnten. Und wenn es mal nötig wurde anzuhalten, verfügte er über die geeigneten Mittel, sie abzuwehren.
    Innerhalb einer Stunde war er dicht an der Oberfläche, und das Uboot fuhr in der weniger dichten Erde schneller. Unterhalb
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