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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen
Autoren: Bastei Lübbe
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losschwamm.
    Das war alles so verkehrt.
    Er hätte sie am liebsten angeschrien und ihr erklärt, dass sie sich im Freien nicht ohne Atemmaske oder einen Skole bewegen sollte, der ihr Blut mit Sauerstoff anreicherte, denn die Luft hier war nicht atembar – enthielt nicht genug Sauerstoff für Menschen. Dann fiel ihm auf, dass er sich ja selbst im Freien aufhielt, und Verwirrung befiel ihn.
    Und er zog sich in die eigene Innenwelt zurück, wie er es auch beim letzten Mal und davor schon getan hatte. Wie er es schon länger tat, als er sich überwinden konnte zu erinnern.
Triada-Lager (Solstan 2437 – Nachspiel der Rebellion)
    Wenn er sich auf die Schemata konzentrierte, auf die Sammlung bunter euklidischer Formen, die ihm durch den Verstand wirbelten, half das, die Agonie einzudämmen. Diese Vision schien alles, was Jeremiah Tombs noch hatte, seit das Sehvermögen nur noch matte, verschneite und verschwommene Eindrücke lieferte – sowie die Erinnerung an höllische gelbe Augen über ihm, umgeben vom klickenden Schwirren gläserner Sensen, die sich in der Dunkelheit gegenseitig schärften.
    Wie war alles nur so entsetzlich schiefgegangen?
    Die liturgischen Gesänge der Brüder von der Septarchie, die es Behemoth verwehrten, die Gedankenkontrolle über die gesamte Bruderschaft zu erlangen, hatten nicht verhindern können, dass die Kreatur den Planeten Masada aufsuchte, um dort Vergeltung zu üben. Sie vernichtete die Lasersatelliten und wirbelte dann zu feuriger Vernichtung auf den Erdboden hinab …
    N ein, so war das nicht gewesen.
    Die Agonie wogte in ihm empor, und jemand stöhnte, und dieser Laut verwandelte sich in den unaufhörlichen Singsang der Brüder …
    Nein, nein, es gibt sie nicht mehr.
    Nachdem Behemoth sich selbst zerstört hatte, brachte Hierarch Loman die Brüder zum Schweigen und wuchs selbst in Statur und Macht auf allen Kanälen der Dracocorp-Verstärker, die sämtliche Mitglieder der Bruderschaft trugen – Behemoths Gabe an sie. Es wurde unmöglich, auch nur einen Befehl Lomans zu verweigern.
    Flüssigkeit auf Jems Augen wurde von jemandem weggewischt. Das Bild verschwamm zunächst und wurde langsam klarer. Ein Stich in den Hals, und sofort wichen die Schmerzen.
    »Sieh mal«, sagte eine Stimme in der Nähe, »entweder bringst du ihn hinaus und jagst ihm eine Kugel durch den Kopf, oder du lässt mich mit meiner Arbeit fortfahren.«
    »Unsere Leute haben Vorrang«, erfolgte die barsche Entgegnung.
    Das Bild war inzwischen deutlicher, und Jem sah eine Frau in weißem Overall, der so blutbespritzt war wie die Kleidung des Soldaten: ein Kampfanzug von der Farbe alten Flötengrases. Der Soldat trug ein elektromagnetisches Schienengewehr auf dem Rücken, und ein Stromkabel führte von der Waffe zur Energiequelle am Gürtel. Er gab jetzt den Arm der Frau frei, wich einen Schritt weit zurück und blickte mit undeutbarer Miene auf Jem hinab.
    »Ich nehme keine Befehle von dir entgegen.« Ihr Ton war belehrend und präzise. »Ich wurde vielleicht hier geboren, aber jetzt bin ich eine Polis-Meditech und es ist mein Job, in erster Linie Leben zu retten und dann Körper zu reparieren.« Mit einem Wink erfasste sie etwas außerhalb von Jems Blickfeld. »Keiner von denen schwebt jetzt noch in Gefahr.« Sie deutete auf Jem.»Er benötigt umfassende rekonstruktive Eingriffe, um überhaupt am Leben zu bleiben.«
    »Yeah, ich schätze, die braucht er wohl«, sagte der Soldat, dessen Miene inzwischen Verwirrung und sogar Mitgefühl zeigte, was Jem von jemandem wie ihm gar nicht erwartet hätte.
    »Wie zum Teufel kommt es eigentlich, dass er noch lebt?«, fragte die Frau.
    »Ich habe keinen Dunst – niemand hat je die Begegnung mit einem dieser Bastarde überlebt.« Seine Stimme klang rau und streng, die Stimme eines Menschen, der es gewöhnt war, Befehle zu brüllen.
    »Du hast mich missverstanden: Wie kommt es, dass er in diesem Lager noch am Leben ist? Ich habe ihm die Reste seiner Uniform heruntergeschnitten, also weiß ich, was er ist.«
    Der Soldat schüttelte den Kopf und zuckte die Achseln.
    Die Frau lächelte. »Also, Commander Grant, du hast den größten Teil deines Lebens gegen die Theokratie gekämpft und bist, wie so viele aus der Unterwelt, ein entschiedener Atheist, und doch scheint es, als wärst du nicht so immun gegen Aberglauben, wie du denkst.«
    Jem verschwamm erneut das Bild vor Augen, und was immer die Frau ihm verabreicht hatte schien in Wellen durch ihn zu laufen. Er war furchtbar müde
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