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Magazine of Fantasy and Science Fiction 18 - Die Kolonie auf dem 3. Planeten

Magazine of Fantasy and Science Fiction 18 - Die Kolonie auf dem 3. Planeten

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 18 - Die Kolonie auf dem 3. Planeten
Autoren: V.A.
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Gehirn Nummer fünfundvierzig
    (Brain Bank)
     
Ardrey Marshall
     
     
    Seit seinem Tod vor fünfzig Jahren arbeitete Sturm als Gehirnbankier, und mit etwas Glück oder Pech – je nachdem, wie man seine gegenwärtige Lage beurteilte –, würde er noch weitere hundert Jahre funktionsfähig bleiben, bevor er nochmals starb.
    Ein schriller Pfeifton durchdrang schmerzhaft den Dämmerzustand, in den er versunken war. Der Ton erinnerte ihn an kreischende Schnellzugbremsen. Sturm wachte auf, kam langsam zu sich und murmelte aufgebracht etwas vor sich hin.
    Immer diese verdammten Belästigungen! Konnten sie ihn für den Rest der Schicht nicht in Ruhe lassen? Zwölf Stunden hintereinander waren einfach zuviel, wenn man sich anhören mußte, wie faule Schuljungen sich nach den Lösungen ihrer Hausaufgaben erkundigten, die sie auch ohne fremde Hilfe hätten lösen können, wenn man sie mit ›Sir‹ ansprechen muß, obwohl sie siebzig Jahre jünger waren, wenn man geradezu Kniefälle vor ihnen machen mußte – das allerdings nur sinnbildlich, denn Sturm hatte keine Knie mehr –, um sie auf keinen Fall zu beleidigen, und wenn man unbedingt und immer so servil wie möglich antworten mußte. Was war das Leben noch wert, wenn ein junger Lümmel oder eine irritierte Hausfrau erreichen konnte, daß man für immer ausgeschaltet wurde, indem sie sich beschwerten, er sei angeblich ›unhöflich‹ gewesen? Nur schade, daß die Menschen nicht gezwungen wurden, vor ihrem ersten Tod einen Tag in der Gehirnbank zu verbringen. Dann hätten sie vielleicht eingesehen, daß die Bankiers trotz aller anderslautenden Gerüchte noch immer menschlich waren.
    Als das schrille Signal nochmals schmerzhaft laut ertönte, wachte Sturm endgültig aus seinem Halbschlaf auf. Er öffnete sein Prismenauge, bewegte seine mechanische Klaue und schaltete den Scheinwerfer ein, der seine Tafel beleuchtete.
    Der Bildschirm an der gegenüberliegenden Wand leuchtete auf und zeigte einen untersetzten Mann, der einen weißen Laborkittel trug.
    Sturm räusperte sich – diese Angewohnheit stammte noch aus der Zeit vor fünfzig Jahren, als er Professor für Mathematik gewesen war – und sagte: »Hier ist die Gehirnbank – Sie sprechen mit Nummer fünfundvierzig, Sir.«
    »Nummer fünfundvierzig?« fragte der Mann.
    Sturm spürte sofort die Verachtung, die in der Stimme des anderen mitschwang. Sein Stolz wollte sich dagegen auflehnen, aber er hielt seine mechanische Zunge trotzdem im Zaum. »Richtig, Sir. Hier spricht Nummer fünfundvierzig«, antwortete er bereitwillig.
    »Gut«, sagte der Mann, als habe er es mit einem säumigen Dienstboten zu tun. »Ich habe mir heute morgen im Katalog deine Vorbildung angesehen und dabei festgestellt, daß du meine Arbeit vermutlich am besten erledigen kannst.«
    Der Mann kniff die Augen zusammen, nahm seine goldgeränderte Brille ab und säuberte die Gläser sorgfältig mit einem blütenweißen Taschentuch. Er war etwa achtzig Jahre alt, hatte also den Höhepunkt seines Lebens noch nicht einmal erreicht und wirkte etliche Jahre jünger. Sein breites Gesicht trug einen gelangweilten Ausdruck, aber die wasserblauen Augen und das spärliche Haar, das sorgsam über eine kahle Stelle am Hinterkopf gekämmt war, ließen ihn irgendwie bekannt erscheinen. Sein linkes Profil – er kehrte der Kamera immer nur eine Seite seines Gesichts zu – wirkte nicht eben einnehmend oder gar sympathisch. Sturm vermutete, daß der Mann etwas vor ihm verbergen wollte, und als er hüstelte und nickte, zeigte sich, daß diese Vermutung zutraf: Er hatte auf der rechten Wange eine Warze, aus der einige Haare sprossen.
    »Nummer fünfundvierzig«, begann der Mann im Befehlston, als wolle er von Anfang an klarstellen, wer hier Anweisungen erteilte, »ich bin Professor Ludgin – für dich einfach Doktor Ludgin – von der naturwissenschaftlichen Fakultät der hiesigen Universität. Ich habe ...«
    Ludgin! Das war doch unmöglich! Aber die Ähnlichkeit war trotzdem unverkennbar, denn der Kerl hatte sich weniger verändert, als man vielleicht hätte annehmen können. Nur seltsam, daß man ein so unausstehliches Gesicht selbst nach all diesen Jahren im ersten Augenblick nicht wiedererkennen sollte; zum Glück ahnte Ludgin nicht, mit wem er es zu tun hatte, denn sonst wäre ihre Unterhaltung nur die Einleitung eines Verfahrens gegen Sturm gewesen, das mit seinem raschen Tod geendet hätte.
    »Ich habe aus dem Katalog entnommen, daß du eine umfassende
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