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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen
Autoren: Bastei Lübbe
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Große Ereignisse warfen ihren Schatten voraus, und die Lage hier versprach ein wenig angespannt zu werden, aber er hatte vor, unter dem Radar all dessen zu bleiben.
    Zunächst plante er, sich die Drachenkugel einmal von unten anzusehen.
    Chanter stoppte das Erd-Uboot langsam, während das seismische Bild der Lage weiter voraus immer deutlicher wurde. Anhand von in seinem Computer gespeicherten Daten hatte er herausgefunden, dass Drachenkugeln einen Kilometer durchmaßen. Diese hier hatte viel Substanz verloren und war nicht mehr kugelförmig.
    Der Aufprall in der weichen Erde hatte Berge von Schutt ringsherum aufgetürmt, und innerhalb des von ihnen umschlossenen Kraters war eine beträchtliche Menge der fremdartigen Überreste des Wesens zu sehen. Die Signale der Seismografierer zeigten unglaublich dichte Knochen aus einem Material, das Keramal ähnelte, aber komplex geformte, geschichtete Zellstrukturen bildete. Andere Dinge dort wirkten wie Mischlinge aus Fusionsreaktoren und riesigen tierischen Organen. Die in der Umgebung verstreuten Schuppen zeigten sich in den reflektierten Signalen so dicht wie die Panzerung eines Polis-Schlachtschiffs, und andere weichere Dinge bildeten ringsherum einen Morast. Jeder, der über diese Szene stolperte, wäre überzeugt gewesen, er hätte sämtliche Überreste der Kreatur gefunden, aber das hier war alles nur Show.
    Unter der Erdoberfläche zeigte sich eine ganz andere Geschichte. Die Hälfte einer Drachenhalbkugel bestand hier fortund wurde durch einen dicken Stängel tiefer in den Boden gedrückt, was wie ein in die falsche Richtung wachsender Pilz aussah. In dieser Halbkugel herrschte ausreichend starke Aktivität, sodass Chanter sogar durch die Schlammschicht zwischen ihr und ihm Energiewerte angezeigt bekam. Die Seismik verriet, dass sich die Halbkugel in eine zellulare Struktur geteilt hatte, die keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem Schutt über der Erde aufwies. Jede Zelle durchmaß einen Meter und bildete in ihrem Zentrum rasch etwas aus. Wie es schien, war Drache nicht tot, sondern führte etwas Ruchloses im Schilde.
    Chanter erinnerte sich daran, wie gefährlich die Drachenkugeln waren: Schließlich hatte eine von ihnen ein Runcible auf dem kalten Planeten Samarkand zerstört, was zu dreißigtausend Todesfällen geführt hatte, und diese Kugel hier hatte gerade die Theokratie gründlich gevögelt.
    All das bot Chanter Anlass für die Überlegung, wie prekär die eigene Lage womöglich war. Aber nein, er empfing rein passiv die Daten seiner Seismografierer, die Infraschallimpulse durch den Erdboden sendeten. Der nächste Seismografierer war zwanzig Kilometer weit entfernt, und Drache dürfte nichts von Chanters Anwesenheit hier in seiner unmittelbaren Nähe wissen.
    Chanter lehnte sich seufzend zurück und versuchte das Unbehagen zu verbannen, da baute sich die seismografische Karte aufgrund frischer Daten neu auf und zeigte etwas Schlangenhaftes von zwei Metern Dicke, das sich von der Halbkugel ausgehend direkt auf sein Erd-Uboot zubewegte. Er fluchte, als er sah, wie sich das Ende dieses Dings zu vielen Strängen öffnete, ähnlich dem Kopf eines Röhrenwurms, und sich in diesem Moment um sein Fahrzeug schloss, es ruckartig in Bewegung setzte und hereinzuholen begann.
    Nichts, was Chanter unternahm, vermochte Draches Griff abzuschütteln. Er probierte das Gerät, das man ihm als »Viehtreiber für richtig große Kühe« geschildert hatte – und womiter sonst hartnäckige Trikonusse vertrieb, wenn er irgendwo in großer Tiefe für Wartungsarbeiten oder um zu schlafen anhalten musste. Die Drachenhand aus Pseudopodien am Ende dieses gewaltigen Tentakels schüttelte das Erd-Uboot jedoch so heftig, dass Chanter schon glaubte, der Rumpf würde zerbrechen, sodass er von seinem Vorhaben Abstand nahm. Die Pseudopodienhand zog ihn weiter heran, und die seismografischen Bilder wurden deutlicher. Dinge wuchsen innerhalb dieser Zellen in Draches Restkörper. Das sah nach Puppen aus, die ein wenig an die Jungen von Schlammnattern erinnerten, obwohl sie sich von diesen durch ein beunruhigend fötenhaftes Aussehen unterschieden. Dann flippten Chanters Instrumente aus, ehe sie gänzlich ausfielen, einen Augenblick später gefolgt von der Beleuchtung.
    Chanter erwartete den Tod, wartete darauf, dass sein Fahrzeug zermalmt wurde, dass der lose Schlamm der Umgebung hereinquoll und ihn verschlang, aber dann sprangen seine Instrumente wieder an, und er starrte verwirrt auf die
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