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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels
Autoren: Sabine Weigand
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mit den Augen des Hochmittelalters sehen. Als Kind ihrer Zeit lag jedwede Logik ihren karitativen Handlungen fern. Der Arme hat seinen Platz in der Welt genauso wie der Reiche. Gott hat das so gewollt. Man kann Not lindern, aber man darf sie nicht abschaffen. Das wäre eine Störung der Weltordnung, die einem Menschen nicht zusteht.
    Insgesamt müssen wir Elisabeth bei aller Interpretation stets im Kontext ihrer Zeit sehen. Sie lebte in einer Epoche politischer, sozialer und religiöser Neuerungen. Wir haben zum einen die neu entstehenden Territorialstaaten, wie auch Elisabeths Mann Ludwig einen schaffen wollte. Wir haben zum anderen eine immer untertanenfeindlichere Finanzwirtschaft, deren verschärfter Abgabendruck nicht nur bei den Betroffenen auf scharfe Kritik stieß. Wir haben eine Phase des Bevölkerungswachstums, ja, der Überbevölkerung, die Hungersnöte geradezu unvermeidlich werden ließ. Man nimmt an, dass sich in Mitteleuropa die Bevölkerung zwischen dem 10 . und 14 . Jahrhundert mindestens verdoppelt hat. Wir haben eine Gründungswelle und ein schnelles Wachstum der Städte mit allen damit verbundenen sozialen Problemen. Und wir haben als Reaktion auf dies alles eine religiöse Radikalisierung, die sich oftmals im »Ketzertum« äußert. In und außerhalb der Kirche entsteht eine Armutsbewegung, die Ausdruck einer elementaren Not ist und zu einer gewaltigen geistigen Umwälzung führt. Innerhalb der Kirche sind das die Bettelorden, also die Franziskaner und Dominikaner; Erstere standen anfangs durchaus in der Gefahr, als häretisch eingeordnet zu werden. Außerhalb der dogmatischen Lehre sind das bedeutende religiöse Bewegungen wie die Katharer oder die Waldenser. Sie alle sind Reaktion auf eine reiche, in weltliche Dinge verstrickte Kirche, die sich längst vom Evangelium entfernt hat und sich nicht mehr um die Belange der Menschen kümmert. In diese Zeit der religiösen Unsicherheit ist Elisabeth hineingeboren und sucht ihren Weg in der Nachfolge Christi. Und gerade weil ihr Denken gar nicht so weit von den Idealen der häretischen Bewegungen entfernt war, habe ich ganz bewusst die Katharer in den Roman geholt. Natürlich hatten weder Landgraf Hermann I. noch seine Söhne mit diesem Glauben zu tun – hier habe ich mir die Freiheit des Romanciers genommen.
    Zu den prägenden Faktoren der Zeit gehören unbedingt auch die Kreuzzüge, nicht zuletzt weil sie die kritische Situation der Menschen noch verschärften. Denn die finanziellen Lasten des Krieges wurden im Normalfall auf die Unterschicht abgewälzt. Der fünfte Kreuzzug, auf dem Landgraf Ludwig starb und an dem ich Raimund von Kaulberg und Primus teilnehmen lasse, war allerdings ein kompletter Fehlschlag, nicht zuletzt weil Friedrich  II . sich klug taktierend immer wieder seinen Verpflichtungen entzog. Schließlich erreichte er 1228 / 29 auf dem Verhandlungsweg, was mit militärischen Mitteln nicht möglich gewesen war: die Rückgabe Jerusalems und freien Zutritt für Christen zu allen heiligen Stätten. Zum Lohn dafür und wegen seines freundschaftlichen Umgangs mit dem Sultan al Kamil bewarfen ihn die christlichen Metzger von Akkon mit Kaldaunen.
     
    Ich habe bei der Schilderung von Elisabeths Lebensgeschichte versucht, möglichst alles einzuarbeiten, was die Quellen berichten, von den Kinderspielen bis hin zu ihrer letzten Stunde. Allerdings nur dann, wenn es mir glaubhaft erschien, und manchmal in abgewandelter Form. Manches, was über Elisabeth im Rahmen der Legenden bekannt ist, habe ich auch bewusst weggelassen oder nur indirekt erwähnt. So zum Beispiel das berühmte »Rosenwunder«, das ihr fälschlicherweise zugeschrieben wird. In Wirklichkeit entstand diese Legende erst später um Elisabeth von Portugal ( 1271 – 1336 , Kanonisation im 17 . Jh.). Die meisten Elisabeth-Szenen im Roman bauen auf direkt aus den Quellen überlieferten Handlungen auf, wenn ich sie auch manchmal aus anderer Perspektive schildere. Die Überlieferungsdichte ist hier so groß, dass ich aus dem Vollen schöpfen konnte.
    Viele der eingefügten zeitgenössischen Passagen sind Originaltexte bzw. Übersetzungen aus den lateinischen Quellen, so z.B. der Papstbrief an Elisabeth, die Dokumentausschnitte zur Ketzerverfolgung oder die hie und da eingewobenen Minnelieder. Dazu gehört nicht das fiktive Kreuzzugstagebuch von Raimund von Kaulberg. Allerdings sind auch darin sehr viele Versatzstücke enthalten, die direkt den Quellen entnommen sind, um
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