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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels
Autoren: Sabine Weigand
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größtmögliche Authentizität zu wahren.
    Die Heiligsprechung Elisabeths betrieb Konrad von Marburg bis zu seinem Tod. Viel wichtiger war allerdings der Druck des Deutschen Ordens auf den Papst. Elisabeths jüngster Schwager Konrad saß inzwischen dort an führender Stelle und setzte sich massiv für eine Kanonisierung ein. Das entsprang der neuen ludowingischen Familienräson. Im Leben war Elisabeth für die Dynastie eine einzige Peinlichkeit gewesen, aber als die ersten Wunder einsetzten, erkannte man schnell die Vorteile. Eine tote Heilige war ein besseres Aushängeschild für die Familie als eine lebende Querulantin.
     
    Noch ein Wort zu Konrad von Marburg. Als Kreuzzugsprediger und Inquisitor hatte er innerhalb der kirchlichen Hierarchie einen hohen Rang inne und gehörte sicherlich zu den gebildetsten und erfolgreichsten Klerikern im Reich. Vermutlich stammte er aus einer Marburger Burgmannenfamilie. Zu seinen Aufgaben als Inquisitor gehörte zuallererst die Vernichtung der Katharer, die man damals auch als Luziferianer bezeichnete. Er wurde am 30 . Juli 1233 ermordet, weil er sich dabei auch an den Adel heranwagte und die Familie eines von ihm verurteilten Fürsten sich an ihm rächte. Über seine Persönlichkeit ist viel geschrieben worden. Man hat ihn als gnadenlosen Sadisten gezeichnet, er war asketisch, fanatisch, dämonisch, ehrgeizig. Ihm geben viele die Schuld an Elisabeths gesundheitlichem Verfall, an all ihrem seelischen Elend und nicht zuletzt an ihrem Tod. Aber man sollte dabei nicht vergessen: Zu einer sado-masochistischen Beziehung gehören meistens zwei. Oft sucht und findet sich eine solche Paarung, weil beide darin etwas bekommen.
    Landgraf Ludwig  IV . war nie ein Katharer. Wenn man die Quellen über ihn betrachtet, dann erscheint er nicht einmal als besonders milder Herrscher, eher als ehrgeizig kalkulierender Machtpolitiker. Aber er hatte offensichtlich Verständnis für die Armutsbewegung und das Handeln seiner Frau. Es ist ziemlich wahrscheinlich, und so habe ich es auch im Roman geschildert, dass nicht Ludwig der ursprüngliche Verlobte Elisabeths war, sondern sein älterer Bruder. Das ungarische Königspaar hätte seine Tochter ohne Not niemals einem Zweitgeborenen versprochen. Ludwig hat Elisabeth nach Hermanns plötzlichem Tod »übernommen«, und nach allem, was sich den Quellen entnehmen lässt, haben die beiden eine harmonische, wenn auch kurze Ehe geführt. Der junge Landgraf starb tatsächlich auf dem Kreuzzug an einer Seuche; das Mordkomplott ist reine Fiktion. Keine Fiktion ist dagegen, dass Heinrich Raspe damals als Bedrohung für sein Mündel gesehen wurde und dass der kleine Hermann zwar das Erwachsenenalter erreicht hat, aber schon mit 19  Jahren starb, drei Jahre nachdem er als 16 jähriger die Herrschaft in Hessen übernommen hatte. Damals munkelten viele, Heinrich Raspe habe seine Hand im Spiel gehabt.
    Heinrich Raspes erste Frau starb tatsächlich um die angegebene Zeit. Er hat später noch zweimal geheiratet, blieb aber kinderlos. Sein Ehrgeiz ging so weit, dass er sich 1246 zum deutschen Gegenkönig wählen ließ. Er starb im Februar 1247 , wohl an den Folgen einer Verletzung, die er sich im Kampf um die Krone zugezogen hatte.
    Elisabeths erste Tochter Sophie heiratete 1239 / 40 den Herzog von Brabant und wurde Stammmutter des hessischen Fürstenhauses. Die jüngere Tochter Gertrud wuchs im Kloster Altenberg auf und stand dem Konvent bis zu ihrem Tod im Jahr 1297 vor. Später wurde sie seliggesprochen.
     
    Nun zu Primus und seiner Familie. Sie alle sind natürlich keine historischen Personen, über Menschen der Unterschicht gibt es nur in den seltensten Fällen schriftliche Dokumente. Aber sie stehen für das Heer von Armen und Bedürftigen, das damals lebenslang um seine Existenz kämpfen musste. Sie stehen stellvertretend für all diejenigen, denen Elisabeth helfen wollte und die ihr wichtig waren. An ihrem Alltag wollte ich die Verelendung der Menschen aufzeigen und ihr Leben nachvollziehbar machen. Und an Elisabeths Totenbett saß tatsächlich ein kleiner Junge, den sie ins Hospital aufgenommen und gepflegt hatte.
     
    Wenn ich im Roman – und auch im Nachwort – religiöse Gefühle verletzt haben sollte, so lag das nicht in meiner Absicht und es täte mir aufrichtig leid. Es ging mir nicht darum, eine Heilige vom Sockel zu reißen. Es ging mir vielmehr um eine Annäherung an eine Frau, deren Handeln nicht so ohne weiteres begreifbar war und ist. In der
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