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Die Tage des Regenbogens (German Edition)

Die Tage des Regenbogens (German Edition)

Titel: Die Tage des Regenbogens (German Edition)
Autoren: Antonio Skármeta
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Alphabet, das »N«, das »e«, das »i«, das »Nein«, die Freiheit.
    Er wollte die Freiheit, und sie brachen ihm die Hände, die Beine, trafen ihn mit zweiundsiebzig Kugeln, durchsiebten ihm den Bauch (wir brauchen nicht zu sagen, von wem wir reden, die Leute wissen es, es ist besser, wenn die Leute von allein drauf kommen).
    Die Polizei verweigert dem spanischen Sänger José Manuel Serrat die Einreise, woraufhin der sich im Flugzeug in der Toilette einschließt und mit einem Journalisten ein Band aufnimmt, für die Freiheit (die Platte einlegen).
    Ein junges Paar späht um die Ecke, sie kratzen ein paar Münzen und Scheine zusammen, für ein Zimmer in einem billigen Hotel, die Freiheit.
    Ich, Adrián Bettini, bitte den Tod, noch ein wenig zu warten, wenigstens den September soll er vorüberziehen lassen, damit mir ein letzter Wunsch erfüllt wird: mitzuerleben den 5. Oktober, die Freiheit.
    Ein schwarz gekleidetes Mädchen geht im Frühling über die Avenida Apoquindo, ihre Hüften wiegen sich zum Rhythmus der Freiheit.
    Auf dem Kopf des bärtigen Königs sitzt eine zerknitterte Pappkrone, bald kommt die Freiheit.
    Eine Hand winkt zum Abschied, sagt »Nein«, denn sie möchte die Freiheit.
    Ein Tischler sägt Holz, es spritzt das Sägemehl, Freiheit.
    Eine Verliebte zupft die Blättchen einer Margarite ab, er liebt mich, er liebt mich nicht, die Freiheit.
    Silbario Matte: Papa liebt Mama, der Junge isst den Brei, das Mädchen liebt die Freiheit.
    Welcher Vogel, welcher Engel kann höher fliegen als die Freiheit?
    Der Pazifik errichtet blaue Kathedralen bis in die Wolken, Wellen, die höher und höher steigen, bis zur Freiheit.
    Sag mir nicht weniger, sag mir nicht mehr, sag mir das eine Wort, Freiheit.
    Klatscht in die Hände, ihr Kinder, immer im Rhythmus, klipp klapp, klipp klapp, die Freiheit.
    Nico legt Bettinis Büchlein auf das Nachttischchen.
    Doch Patricia möchte, dass er noch einmal diesen einen Satz liest (sie nennt ihn Prophezeiung): »Ein junges Paar späht um die Ecke, sie kratzen ein paar Münzen und Scheine zusammen, für ein Zimmer in einem billigen Hotel, die Freiheit.«
    Patricia bittet ihn, ihr aus dem BH zu helfen.
    Nico legt Hand an, als hätte er darin Erfahrung.
    Er hat den Rücken seiner Geliebten vor sich. Ihre helle Haut. Zum ersten Mal nähert er sich mit den Lippen einem Muttermal auf ihrem Schulterblatt. Das Schulterblatt. Anatomie.
    Sie dreht sich ihm zu. Jetzt sind ihre Brüste vor seinem Mund.
    Sie scheint aus der Wolke hinter dem großen Fenster herabgestiegen zu sein.
    Sie blickt ernst.
    Er lächelt.
    Sie haben fünfzehntausend Peso zusammengekratzt. Sie haben das Zimmer für drei Stunden. »Schlaft nicht ein, ihr Hübschen, sonst muss ich von euch zehntausend extra kassieren. Zwei Cuba Libre inklusive.«
    Die Freiheit, denkt er.
    Und fährt mit der Zunge über ihren Hals, erreicht Patricia Bettinis Mund, dringt mit der Zunge zwischen ihre Zähne.
    Sie schließt die Augen.
    Es muss gut werden.
    Klasse haben.
    So wie sie es in den Filmen gesehen haben.
    Wie oft haben sie in verschwitzten Laken davon geträumt.
    Das Stöhnen wächst an, die Brust schwillt, das erigierte Glied wölbt sich vor, feucht werden, der Leib nass, seine Zunge findet genau den Punkt, zielt auf ihn mit der Treffsicherheit eines Toreros, diesen winzigen unter Strom stehenden Punkt.
    Er braucht Ruhe, das geht alles viel zu hektisch, die Hände, die drücken und kratzen, wie erschrockene Kaninchen von einer Stelle zur anderen springen.
    Man müsste dreißig sein, sich mit Haut auskennen, seinen Doktor in Brüsten gemacht haben, um der geliebten Patricia Bettini Lust zu verschaffen, die blass und erhitzt daliegt, im matten Schein des durch die Blümchenvorhänge dringenden Lichts, stickig ist es, die Sonne steht auf der Hausmauer, sie brennt, als wollte sie den ganzen Hafen in Flammen stecken.
    Patricia lehnt sich an die gepolsterte grüne Rückenlehne des Betts, streckt die Beine aus, fährt sich mit Mittel- und Zeigefinger den Bauch hinab.
    Sie streichelt mit der Hand den Punkt, diesen besonderen Punkt, das sprudelnde Champagnerglas. Die andere legt sie an Nico Santos’ Nacken.
    Sanft und entschlossen führt diese andere Hand Nicos Kopf zu ihrem Bauch, beugt ihn zu sich herab, und er lässt sich führen, berührt die braunen Haare, saugt ihren Duft ein.
    Er sucht mit der Zungenspitze den winzigen Tiger auf, der versteckt in dieser Schneise sitzt, die noch dunkler ist, als seine Träume es ihm versprochen
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