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Die Tage des Regenbogens (German Edition)

Die Tage des Regenbogens (German Edition)

Titel: Die Tage des Regenbogens (German Edition)
Autoren: Antonio Skármeta
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Mund.
    Wir umarmen uns still, und vielleicht brauche ich länger als er, um mich von ihm zu lösen. Dann kommt mir der Gedanke, dass er mich vielleicht ansehen will, und ich lasse ihn los. Mein Vater fragt mich, wie es mir geht, und ich stehe da mit dem Apfel in der einen Hand und dem Schlüssel in der anderen und sage zu ihm genau das, was ich auch Valdivieso gesagt habe: »Geht so.«
    Im Esszimmer ist für vier gedeckt und die Vorspeise schon serviert: Schinken, gefüllt mit Avocadocreme, auf grünem Salat. Als Papa den Arm ausstreckt, um die Zigarette im Aschenbecher auszudrücken, sehe ich die Brandmarken auf seinem Handrücken. Als er bemerkt, dass ich es bemerkt habe, deckt er die Hand mit der anderen zu und reibt sich dann freudig die Hände in Erwartung des Festessens. Ich aber greife entschlossen nach seiner Hand und inspiziere die Wunden.
    »Weißt du, im Gefängnis gibt es keine Aschenbecher, und die Jungs drücken ihre Kippen überall aus.« Ein Lächeln. »Aber ganz schlimm wurde es nie. Alles im Rahmen ›Barock‹. Und du?«
    »Alles gut, Papa.«
    »Hast du dich auch nicht in Schwierigkeiten gebracht?«
    »Mach dir keine Sorgen.«
    »Es ist der letzte Tag des Monats. Hast du den Gehaltsscheck abgeholt?«
    »Daran habe ich nicht gedacht.«
    »Es wäre gut zu wissen, ob ein Scheck da ist oder nicht. Ich habe die Hoffnung, dass sie nicht so weit gegangen sind, die Zahlungen einzustellen.«
    »Nach dem Essen gehe ich hin.«
    »Gut.«
    Patricia Bettini geht in die Küche, um den Rotwein zu holen, und mein Vater zupft sich einen Tabakfussel von der Lippe.
    »Sie hat mich rausgeholt«, flüstert Papa mir vertraulich zu und zeigt mit dem Kinn zu Laura Yáñez.
    »Und wie?«
    »Frag sie.«
    »Wie hast du ihn rausgeholt?«, frage ich sie, ohne sie anzusehen, verstohlen lächelnd, während ich Papa einschenke.
    Sie reibt sich mit dem Flaschenkorken die Stirn.
    Patricia klopft auf den Tisch.
    »Ich habe mit Leuten geredet, Santos.«
    »Mit bösen Leuten, nehme ich an.«
    »Lass sie, Nico«, schaltet mein Vater sich ein. »Wir leben nicht in der Welt der platonischen Ideen. In Wirklichkeit sind Gut und Böse vermengt.«
    »Aber in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen.«
    »In unterschiedlichen Mischungsverhältnissen, mein Sohn. Freust du dich nicht, mich zu sehen?«
    »Natürlich, Papa.«
    »Also?«
    »Es ist alles gut, Papa.«
    »Dann können wir jetzt essen, oder?«
    Am Nachmittag gehe ich zur Zahlstelle. Ich stehe zehn Minuten in der Schlange, und tatsächlich ist ein Scheck für Herrn Rodrigo Santos da. Ich nehme ihn und stecke ihn in die Brieftasche, dann kaufe ich mir Don Balón und entdecke in die Mitte eingeheftet ein Poster mit zweien meiner Idole: Rossi und Platini.
    Am nächsten Tag haben wir Philosophie.
    Señor Valdivieso gibt uns die mit grüner Tinte korrigierten Klassenarbeiten zurück, die Note hat er groß in Rot draufgeschrieben. Für meinen Song von Billy Joel bekomme ich die beste Note: eine Sieben.
    Beim Nachhausekommen fragt Papa mich als Erstes nach dem neuen Philosophielehrer, und ich sage ihm, er sei ganz in Ordnung. Ich erzähle ihm, dass er mir für die Arbeit über das Höhlengleichnis eine Sieben gegeben hat. Papa bittet mich, sie ihm zu zeigen. Als ich ihm die Arbeit gebe, legt er die Zigarette in den Aschenbecher. Ich nehme einen Zug und lege sie zurück.
    »Was soll das, Nico?«, fragt er, blass, nachdem er gesehen hat, dass das Blatt bis auf den Song von Billy Joel leer ist.
    Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
    »Gerechtigkeit im Rahmen des Möglichen, Papa«, antworte ich und trenne das Poster von Rossi und Platini aus dem Heft.

EINUNDVIERZIG
    W enn sie es so will, werde ich mich nicht weigern.
    Sie besteht darauf, alles zu bezahlen.
    Den Brief, den sie Don Adrián geschrieben hat, hat sie ihm mit Nadeln ans Kopfkissen gesteckt.
    Sie sei keine dumme Romantikerin wie aus so einem Hochglanzmagazin, sagt sie, aber der Smog in Santiago mache einen krank.
    Die Busse nach Valparaíso fahren in der Nähe des Hauptbahnhofs ab.
    Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen und bin besorgt, dass ich zu müde sein werde.
    Ich stecke meine Badehose und zwei Äpfel in den Rucksack.
    Ein sauberes Handtuch ist nicht aufzutreiben. Wenn wir an den Strand gehen, nehme ich mir eines aus dem Hotel.
    In der Metro sehe ich den gähnenden Che. Ich gehe zu ihm, um ihm zu sagen, dass ich heute nicht in die Schule komme. Wenn sie nach mir fragen, soll er dem Inspektor sagen, ich sei
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