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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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SCHWANZ IM RIESENRAD
    Ich möchte mich erst einmal in aller Deutlichkeit vorstellen, dann sind wir damit durch: Ich war nicht der Verrückteste. Ich war nur der Zweitverrückteste. Mein Name ist Bernhard Hval. Ich habe mehr Unheil angerichtet, als Sie sich vorstellen können. Ich habe in Anwesenheit des Königs Stutenprinz und Dudelsack gesagt. Und zwar damals, als ich im Dezember 1973 leider in der Holmenkollenbahn hinter ihm zu sitzen kam, nicht direkt hinter ihm, aber in der übernächsten Reihe, zumindest saß ich im selben Wagen. Ob das eine Rolle spielt? Aber auf jeden Fall. So kann ich zumindest hoffen, dass er nicht alles hörte, was ich sagte, bevor ich bei der nächsten Station resolut hinausgeworfen wurde, und zwar ausgerechnet in Besserud. Besserud! Oh, alle Anoraks und Glückskleeblätter des Teufels! Ich war gegen meinen Willen in alten Revieren gelandet. Ich war der Teufel in der Hölle! Und das war König Olavs Schuld. Außerdem hatte ich keine Skier mehr, denn die fuhren mit der Bahn weiter. Ich stand auf dem Bahnsteig meiner Kindheit, spuckte in die Hände und stützte mich auf die Skistöcke. Das Leben hatte reichlich Könige, Gelegenheiten und Stinknasen zu bieten. Ozäna in der Höhe! So ging ich den ganzen Weg hinunter in die stille, schneebedeckte Stadt, warf die Stöcke in einen Mülleimer, meine Zeit als Skiläufer war sowieso vorbei, schloss mich in die Wohnung am Skovveien ein, setzte mich ins Arbeitszimmer, drehte einen bereits vergilbten Bogen Papier um die Walze und begann auf die Tasten einzuschlagen. Ah! Oh! Hört, hört! Ich schlage Löcher ins Papier. Jeder Buchstabe, den ich schreibe, ist ein Loch. Hier sitze ich immer noch. Ich möchte sicherheitshalber darauf hinweisen, dass einzelne Begriffe, Wendungen und Obduktionen in diesen Aufzeichnungen von einigen als anstößig empfunden werden können. Ich habe vom Rednerpult in der Aula der Universität aus »Schwanz im Riesenrad« gesagt. Das haben zumindest die meisten gehört, die an diesem Abend, an dem die Absolventen der medizinischen Fakultät gefeiert wurden, anwesend waren. In gewissen akademischen und freigeistigen Kreisen war ich verrufen, wenn nicht bewundert, als wäre das etwas Erstrebenswertes. Ich strebte nach dem reinen Gegensatz. Wünschte nur, unbemerkt zu bleiben, was mir nur selten gelang. Du Dudelsack! Ich kann Purzelbäume und Salti rückwärts schlagen, wenn ich nur an diese Vorfälle denke. Und ich bin ein alter Mann, fast achtzig bin ich. Ich habe mich sogar versprochen, als ich der Braut eine Rede hielt, und das auf meiner eigenen Hochzeit. Ich konnte gerade noch mein Gesicht wahren. Mein Klosterlatein, das ich immer im entscheidenden Moment einstreue, wenn die Welt mir zu nahe tritt, rettete mich. Mein Zeugnis ist auch nicht zu verachten. Ich war trotz allem der Beste meines Jahrgangs. Ich war bei weitem nicht geschützt oder unangreifbar. Du zerreißendes Jungfernhäutchen! Der Urin einer Jungfrau muss dünn und zart sein und mit Saus und Braus gelassen werden. Oh, singe mit! Ohrwatsche! Woher habe ich das? Noch einmal, ihr alle! Vulnera puncta! Sticht man nur fest genug zu, kann alles als Waffe benutzt werden. Ich habe die meisten verärgert, viele schockiert und jene zerstört, die ich am meisten geschätzt habe. Und diejenigen, die ich verachtete, die habe ich gerettet und reingewaschen. Ich habe Nacht für Nacht wach gelegen und zu ihm da oben im Himmel gebetet, den meine Mutter in guten Momenten, als ich noch ein Kind auf Besserud war, das Antlitz nannte. Besserud! Doch niemand hat sein Antlitz zu mir erhoben, bis auf einen. Das sollte meine Mutter wissen, die tot und begraben in fremder Erde ruht, den Kopf zuunterst, und auch ich werde kein Antlitz zu ihr erheben. Ansonsten bin ich ein vorsichtiger und gebildeter Mann. Das will ich gar nicht leugnen. Alles andere habe ich versucht zu verbergen, all das, was in mir überflüssig ist und das ich am liebsten ganz allein in der Wohnung vorführen würde. Deshalb war ich seit dem Gespräch mit König Olav auch nicht wieder draußen. Das Essen wird mir auf die Schwelle gestellt, das Geld geht durch den Briefschlitz hinaus, die Waren kommen durch den Türspalt herein, so einfach ist das. Wasser hole ich aus dem Wasserhahn. Hoppla! Habe ich das Wort sich versprechen irgendwo benutzt? Ich verspreche mich nie. Das, was über meine Zunge kommt, muss dort auch wieder hinaus. Meine fehlplatzierten Worte sind wie Brennnesseln in einem Rosenbeet. Und kein Gärtner
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