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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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zu verwirren.
    »Tatsächlich? Bist du dir sicher? Ganz sicher?«
    Alfred stutzte.
    »Natürlich.«
    »Aber du hast es doch nie versucht, Alfred.«
    »Entschuldigung, was denn?«
    »Verheiratet zu sein. Du bist ein alter, unverbesserlicher Junggeselle. Wie kannst du dann behaupten, dass es mir gut tun wird?«
    »Nun, ich habe schließlich schon einiges gesehen, auch wenn ich keine Ehefrau habe. Und so viel weiß ich: Es sollten in einem Auto wie diesem zwei auf der Rückbank sitzen.«
    »Denkst du vielleicht an meine Eltern? Du hast doch gesehen, wie das gelaufen ist.«
    »So habe ich es nicht gemeint.«
    Alfred sank über dem Lenkrad zusammen. Zum Schluss musste ich ihm lächelnd meine Hand auf die Schulter legen. Dass er es nie lernte.
    »Ich habe doch nur Spaß gemacht, Alfred.«
    »Ach so.«
    »Um Gottes willen, kannst du nicht einmal einen Spaß vertragen!«
    Alfred richtete sich wieder auf.
    »Der war gut«, sagte er.
    War es einem jemals besser gegangen?
    Der Roadster brachte uns voran. Eine neue Zigarette. Wieder eine türkische. Eigentlich rauchte ich nicht, aber türkische, nun mal ehrlich. Denen konnte ich nicht widerstehen. Der Verlobungsring. Die Sonne, die ihn traf, ein Aufblitzen. Ich genoss den Anblick meiner eigenen langsamen Bewegungen während der Fahrt, auf der ich mich befand, 23 Kilometer die Stunde, meine rechte Hand, die Manschette, die Zigarette zwischen den Fingern, die Glut, der Arm auf der Türlehne, nonchalant.
    Sitzt man nicht genau so auf der Rückbank in einem offenen Roadster, nonchalant? Und könnten wir nicht einfach so weiter zwischen Oslo und Drammen hin- und herfahren, ohne anzuhalten, nur wenden, wenn wir an dem einen Ort angekommen wären, und das Gleiche wieder tun, wenn wir den nächsten erreichten? Wäre das nicht eine fabelhafte Sache? Die Hupe des Roadsters weckte mich aus diesen angenehmen Gedankengängen. Alfred Melingen ließ die Hupe erklingen. Ein Stück vor uns entdeckte ich eine Gestalt, fast versteckt von dem Licht und dem Staub, den unsere Räder und sein Fußwerk in immer neuen Wolken aufwirbelten. Offenbar nahm er gar keine Notiz von der Warnung. Ich beugte mich vor und drückte und tutete auch. Kühe und alle anderen Arten von Tieren flohen über die Felder, hinein in die Wälder, wo ein dichter Teppich aus Vögeln sich von den Zweigen erhob, den Himmel beschattete, und alles wurde still, wie bei einer Sonnenfinsternis. Nur dieser Kerl ging einfach weiter. Wäre ich nicht gewesen, es hätte ein Unglück geschehen können, und zwar ein ernstes. Alfred hätte ihn mit einem Wimpernschlag niedermähen können, so schlecht war die Sicht, denn wir fuhren hinein in das Licht, den Staub und die Zukunft. Doch dazu kam es nicht, denn ich griff ein und hupte zum zweiten Mal. Ich bat Alfred, neben diesen Dickkopf zu fahren, man möge mir meine Worte vergeben, und mit eigenen Augen konnte ich sehen, dass der Mann, der da ging, so mager war, dass die Sonne durch ihn hindurchschien und seine Rippen einen Schatten warfen. Er trug einen Strohhut auf dem Kopf, ein paar Bartzotteln an der Wange, eine Papiertüte hing ihm über die Schulter, der Pullover, den er trug, war mit Sicherheitsnadeln zusammengehalten, in der Hand hielt er einen schwarzen Regenschirm, und an den Füßen hatte er abgelaufene Stiefel, die aussahen, als wären sie mit Pechdraht genäht.
    »Langsamer«, rief ich.
    Alfred drosselte die Geschwindigkeit, bis wir das gleiche Tempo wie der Mann hatten.
    Dieser ging weiter, ohne sich um uns zu kümmern.
    »Wollen Sie mitfahren?«, fragte ich.
    Der Mann antwortete nicht und blieb auch nicht stehen.
    Ich wiederholte mein Angebot.
    »Ich weiß nicht, wie weit Sie wollen, aber Sie können auf jeden Fall ein Stückchen mitfahren.«
    Jetzt redete der Mann zum ersten Mal:
    »Evje. Im Setesdalen.«
    »Das ist ein ganzes Stück zu laufen.«
    »Das ist auch der Sinn.«
    »Und wie lange laufen Sie schon?«
    »Ich bin gerade erst in Gang gekommen.«
    Wir fuhren ein kleines Stück, ohne etwas zu sagen. Mein Fahrer schüttelte nur den Kopf und hätte am liebsten Gas gegeben. Aber ich war neugierig geworden.
    »Was wollen Sie in Evje?«, fragte ich.
    »Umkehren und nach Oslo zurückgehen«, sagte der Mann.
    »Zurückgehen? Legen Sie den ganzen Weg nach Evje zurück, nur um wieder zurückzugehen?«
    Der Mann nickte und nahm den Schirm in die andere Hand, um sich vor der Sonne zu schützen.
    »Ja.«
    »Haben Sie nichts anderes dort zu erledigen, außer wieder
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