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Die Schopenhauer-Kur

Die Schopenhauer-Kur

Titel: Die Schopenhauer-Kur
Autoren: Irvin D. Yalom
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Teile des Flecks. »Er ist nicht vollkommen rund wie die anderen auf Ihrem Rücken – sehen Sie diesen und den hier?« Er deutete auf zwei Pigmentmale, die dicht daneben lagen.
    Julius versuchte, seine Spannung abzubauen, indem er tief Luft holte.
    »B wie Begrenzung – schauen Sie: Ich weiß, es ist schwer zu erkennen.« Bob zeigte erneut auf den Fleck unter dem Schulterblatt. »Sie sehen in diesem oberen Bereich, wie scharf die Grenze gezogen ist, hier dagegen, zur Mitte hin, ist sie verschwommen,
verläuft einfach in die umliegende Haut. C wie Color, Färbung. Hier, auf dieser Seite, wirkt das Mal hellbraun. Wenn ich es vergrößere, sehe ich einen Spritzer Rot, ein bisschen Schwarz, vielleicht sogar Grau. D wie Durchmesser; wie ich schon sagte, ungefähr ein Zentimeter. Das ist nicht ungewöhnlich, aber wir wissen nicht, wie alt es ist, ich meine, wie schnell es wächst. Herb Katz meint, bei der Untersuchung im letzten Jahr war es noch nicht zu sehen. Und schließlich ist bei Vergrößerung deutlich zu erkennen, dass das Zentrum geschwürig ist.«
    Während er den Spiegel beiseite legte, sagte er: »Ziehen Sie Ihr Hemd wieder an, Julius.« Nachdem sein Patient es zugeknöpft hatte, setzte King sich auf den kleinen Hocker im Untersuchungszimmer und fing an: »Also, Julius, Sie kennen die Literatur hierüber. Es gibt offensichtlich Anlass zur Sorge.«
    »Hören Sie, Bob«, erwiderte Julius. »Ich weiß, dass unsere frühere Beziehung es Ihnen schwer macht, aber bitte fordern Sie mich nicht auf, Ihnen die Arbeit abzunehmen. Gehen Sie nicht davon aus, dass ich irgendetwas über Hautkrankheiten weiß. Denken Sie daran, dass mein Geisteszustand im Moment zwischen Entsetzen und Panik schwankt. Ich möchte, dass Sie die Sache in die Hand nehmen, dass Sie mir gegenüber vollkommen ehrlich sind und sich um mich kümmern. So, wie ich es damals bei Ihnen getan habe. Und, Bob, sehen Sie mich an! Wenn Sie meinem Blick dauernd ausweichen, ängstige ich mich noch zu Tode.«
    »Sie haben Recht. Tut mir Leid.« King schaute ihm offen in die Augen. »Sie haben sich verdammt gut um mich gekümmert. Ich werde für Sie dasselbe tun.« Er räusperte sich. »Okay, ich habe den starken Verdacht, dass es ein Melanom ist.«
    Als er bemerkte, wie Julius zusammenzuckte, fügte er hinzu: »Trotzdem, die Diagnose allein bedeutet wenig. Die meisten – vergessen Sie das nicht –, die meisten Melanome lassen sich
durchaus behandeln, auch wenn manche Miststücke sind. Wir müssen die Sache angehen: Ist es wirklich ein Melanom? Falls ja, wie tief ist es? Hat es schon gestreut? Der erste Schritt ist also eine Biopsie und die Verschickung einer Probe an den Pathologen.
    Sobald wir hier fertig sind, ziehe ich einen Chirurgen hinzu, der den Fleck herausschneidet. Ich werde dabei an seiner Seite sein. Als Nächstes kommt die Untersuchung eines Teilstücks durch den Pathologen, und wenn der Befund negativ ist, umso besser, dann war’s das! Ist er positiv, handelt es sich also um ein Melanom, werden wir den verdächtigsten Lymphknoten entfernen oder, falls notwendig, auch mehrere. Ein Krankenhausaufenthalt ist nicht erforderlich – die ganze Prozedur wird ambulant vor sich gehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass keine Hauttransplantation nötig sein wird und Sie höchstens einen Tag pausieren müssen. Allerdings werden Sie an der Stelle des Eingriffs ein paar Tage lang Beschwerden verspüren. Mehr kann ich im Moment nicht sagen. Wir müssen die Biopsie abwarten. Vertrauen Sie mir. Ich habe mit Hunderten solcher Fälle zu tun gehabt. Okay? Meine Mitarbeiterin ruft Sie später an und gibt Ihnen die Details hinsichtlich Zeit und Ort und etwaiger Vorbereitungen durch. Okay?«
    Julius nickte. Beide erhoben sich.
    »Tut mir Leid«, sagte Bob. »Ich wünschte, ich könnte Ihnen all das ersparen, aber das kann ich nicht.« Er reichte Julius eine Mappe. »Vielleicht wollen Sie das Zeug hier gar nicht, aber ich gebe es Patienten in Ihrer Situation immer mit. Es hängt von der Persönlichkeit ab: Manche fühlen sich getröstet durch Informationen, andere möchten lieber nicht Bescheid wissen und werfen es schon auf dem Heimweg weg. Hoffentlich kann ich Ihnen nach dem Eingriff etwas Ermutigenderes sagen.«
    Doch es sollte nichts Ermutigenderes mehr geben – die nächsten Neuigkeiten waren noch düsterer. Drei Tage nach der Biopsie trafen sie sich wieder. »Wollen Sie es lesen?«, fragte Bob und streckte ihm den endgültigen Befund des
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