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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 3 Fluch der Liebe

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 3 Fluch der Liebe

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 3 Fluch der Liebe
Autoren: Martin Clauß
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2
    Dienstag. Kurz nach sechs Uhr morgens.
    Das Haus lag in tiefer Stille, doch durch die Fenster fiel schon das kühle Licht der Morgensonne. Die Frontseite des Schlosses wies nach Osten.
    Als Jaqueline den Computerraum betrat, befand sich dort niemand außer ihr. Einer der Rechner allerdings war schon hochgefahren, und der Internetbrowser war geöffnet.
    Die junge Frau wurde magisch davon angezogen.
    Stellte jemand um diese Zeit schon Recherchen an? Das war höchst ungewöhnlich! Die meisten Bewohner von Schloss Falkengrund schlummerten noch in ihren Zimmern, und wenn jemand in dieser Herrgottsfrühe aufstand, dann höchstens der Sportfanatiker Georg, um seine Runden ums Haus zu drehen und am Waldrand ein paar wehrlose Baumstämme zu stemmen. Dass ausgerechnet er sich an diesen Ort verirrte, schien Jaqueline ziemlich unwahrscheinlich.
    Der Computerraum war eigentlich nicht mehr als ein Vorzimmer zur Bibliothek. Trotzdem standen immerhin fünf Rechner den Studenten zur Verfügung, ein weiterer ausschließlich den Dozenten, und wenn Margarete Maus ihr weißes Apple iBook G4 nicht mit auf ihr Zimmer genommen hatte, stand es ebenfalls hier unten irgendwo dekorativ herum.
    Im Gegensatz zur nüchtern eingerichteten, etwas finsteren Bibliothek strahlte der Computerraum eine chaotische Lebendigkeit aus. Die Wände waren in Pinnwände umgewandelt, Poster, Notizen, Zeitungsausschnitte, Erinnerungsfotos und Ansichtskarten reihten sich aneinander und übereinander.
    Auch die „Lehrer-Ecke“ links von der Tür machte da keine Ausnahme. Von überall her grinsten einem bekannte und unbekannte Gesichter entgegen, und nicht alle gehörten real existierenden Personen. Ein rot eingefärbtes Bild von Lon Chaney Senior aus dem Stummfilmepos „Das Phantom der Oper“ von 1925 gehörte zu den kurioseren Exponaten dieser uneinheitlichen Sammlung.
    Jaqueline setzte sich an den eingeschalteten Rechner. Die ZURÜCK-Taste des Browsers fiel ihr ins Auge.
    Sie war kein neugieriger Mensch, sondern einfach nur hungrig nach Wissen.
    Interessiert.
    Involviert.
    Das sagte sie sich, während sie auf den grünen Pfeil klickte. Er würde sie auf die Website führen, die sich die Person vor ihr angesehen hatte.
    Es war eine schlichte Hypertextseite ohne Grafiken. Schwarze Buchstaben auf weißem Grund. Ein Kapitel aus einem Buch des irischen Schriftstellers Yeats.
    Jaqueline überflog den englischsprachigen Text. Dann klickte sie auf das Druckersymbol und wartete.
    Während sie den singenden Geräuschen des Tintenstrahldruckers lauschte, fiel ihr eine Person ein, die manchmal die Tageszeiten verwechselte. Die bisweilen einen großen Teil des Tages verpennte und nachts munter durchs Schloss geisterte wie ein ...
    Der Text war fertig ausgedruckt. Jaqueline faltete das Dokument zusammen und ließ es in ihrer Aktentasche verschwinden. Dann begann sie mit ihren eigenen Recherchen.

3
    Mittwoch. Neun Uhr.
    Das Geschöpf stand zwischen der unordentlich gewischten Tafel und dem gelblichen, trapezförmigen Schein, den der Tageslichtprojektor an die Wand warf.
    Es wirkte verloren, einsam, den Oberkörper leicht nach vorn gebeugt, die Schultern hängend. Der kleine, stämmige Körper war formlos, wie ein roh behauener Holzklotz, und der Kopf, der darauf saß, war viel zu groß für diesen wie abgeschnitten anmutenden Leib. Das dunkelbraune Haar stand struppig ab wie das eines verwahrlosten Hundes, auch wenn der Mann es unablässig in Form zu bringen versuchte. Dazu befeuchtete er die Innenseiten seiner Hände am Waschbecken mit Wasser und drückte mit den nassen Händen von beiden Seiten gegen seinen Schädel. Das sah aus, als versuche er, sich den Kopf zurechtzupressen. Die Handinnenseiten waren (vermutlich zusammen mit seinen Fußsohlen) die einzigen Stellen am Körper dieses Wesens, die nicht von Haaren bedeckt waren.
    Seine Augen lagen tief unter bürstenartigen Brauen verborgen und starrten die meiste Zeit über auf den Fußboden. Vielleicht, weil er sich so am besten zu konzentrieren vermochte, vielleicht, weil er den Blick der Studenten nicht ertragen konnte.
    Dr. Roderich Konzelmann trug einen Schnurrbart, der einem Walross zur Ehre gereicht hätte, seinen Mund weit überschattete und es unmöglich machte, die Mimik seiner Lippen zu erkennen – oder mit Sicherheit zu sagen, ob er überhaupt Lippen hatte ... Ein dicker schwarzer Vollbart überwucherte sein Kinn und seine Wangen und reichte weit über den kurzen Hals hinab, bis er irgendwo dort unten
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