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Die Schöne vom Nil

Die Schöne vom Nil

Titel: Die Schöne vom Nil
Autoren: Heinz G. Konsalik
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I
    Sie hatten beschlossen, das Unternehmen einzustellen.
    Seit über einem Jahr – genau 14 Monate lang – hatte die Forschungsgruppe des Professors Dr. James Mitchener am Rand des großen Gräberfeldes von Sakkara versucht, ein Geheimnis zu enträt seln, von dem eigentlich nur Mitchener selbst glaubte, daß es das Geheimnis überhaupt gab.
    Als er, der anerkannte, internationale Ägyptologe, vor fast zwei Jahren in Kairo erschien und dem Leiter der Forschungsstelle für ägyptische Kultur, Dr. Ibrahim Aschar, seine Theorie erklärte, nach der in der dritten Dynastie des ›Alten Reiches‹ zwischen dem Pharao Djoser und den Pharaonen Snofru, Cheops und Cephren noch ein Kind-König auf dem Thron gesessen haben mußte, hatte Dr. Aschar nur höflich, aber mit deutlichem Bedauern mitleidig den Kopf geschüttelt.
    »Über die Zeit von 2700 bis 2600 vor Christi Geburt – nach Ihrer Rechnung als Christ – ist unser Wissen lückenhaft, auch wenn wir ausgegraben haben, was nur auszugraben war. Zugegeben! Der Grabbezirk des Pharaonen Djoser mit seiner Pyramide von Sakkara und alle sich darum gruppierenden Gräber und Kultstätten sind, wie Sie selbst ja am besten wissen, bis ins kleinste erforscht und berechnet worden. Da gibt es keine Geheimnisse mehr. Die dritte Dynastie – das ist Djoser!«
    »Hundert Jahre lang?« hatte Mitchener gefragt.
    »Natürlich nicht! Mein lieber Professor, Sie kennen doch Ägyptens Geschichte wie Ihre Hosentasche! Sie haben jede bekannte Pyramide untersucht. Man hat Bibliotheken gefüllt mit den Forschungsergebnissen von Gizeh bis Luxor. Das Gräberfeld von Sakkara birgt keine Geheimnisse mehr. Der riesige Friedhof der ersten Dynastie ist völlig umgewühlt. Das letzte große Ereignis an dieser Stelle war die Entdeckung des Grabes von Imhotep, des Arztes und Baumeisters von Djoser. Und Sie wissen auch, daß Ihr Kollege, Professor Emery, die Entdeckung des Imhotep-Grabes nicht überlebt hat.«
    Dr. Aschar macht eine kleine Pause, in der er noch einmal all die Ereignisse überdachte, die damals in Sakkara für große Aufregung sorgten.
    Kurz vor seinem größten Triumph wurde Professor Emery, beim Rasieren im Waschraum, von einer rechtsseitigen Lähmung befallen und verlor die Sprache. Wenige Tage später, am Donnerstag, dem 11. März 1971, starb er im britischen Hospital von Kairo. Die Ärzte standen vor einem Rätsel, sie vermuteten Gehirnschlag, aber Herz, Blutdruck und Hirnfunktionen waren bis zum 10. März völlig normal gewesen. Emery war immer gesund gewesen …
    James Mitchener hatte Dr. Aschars Schweigen richtig gedeutet. Dieser idiotische Aberglaube vom Fluch der Pharaonen! dachte er. Selbst ein ernsthafter Wissenschaftler wie Aschar war nicht dagegen gefeit. Im Unterbewußtsein bedrückte es ihn.
    »Es muß irgendwo bei Sakkara noch ein unentdecktes Grab geben!« beharrte der Professor mit britischer Dickköpfigkeit. »Keine Pyramide, so etwas zu behaupten wäre idiotisch, aber ein Erdgrab, unter jahrtausendealtem Geröll verborgen, vielleicht in zehn oder fünfzehn Metern Tiefe! Am Ende eines Labyrinths aus Gängen, Stollen und Blindgräbern … Wer sagt Ihnen, daß es das nicht gibt?«
    »Ich!« Dr. Aschar hatte wieder den Kopf geschüttelt. »Professor Mitchener, wir alle wissen doch, daß die Pharaonen des Alten Reiches über der Erde, in Pyramiden, begraben wurden. Wir wissen es: Die Pyramiden waren eine Art kultischer Denkmäler, und die Pharaonen lagen auch dort unter der Erde – aber ihr irdischer Ruheplatz mußte allen sichtbar sein! Auch einem Kind-König, und wenn er nur einen Tag regiert hätte, würde man eine kleine Pyramide errichtet haben. Ich weiß, woran Sie jetzt denken. An den sagenhaften, nur undeutlich in den Schriftsymbolen von Memphis erwähnten Pharao Menesptah. Nur einmal taucht dieser Name in den Schriften auf, und dabei kann es sich noch um einen Irrtum handeln. Nirgendwo sonst wird dieser Menesptah erwähnt. In keiner Überlieferung hat man Taten von ihm festgehalten. Auch der Arzt und Vertraute aller Pharaonen, der Erfinder einer Schrift und eines Kalenders, das Genie Imhotep, hat nichts von Menesptah berichtet. Und gerade er, der Chronist dieser Zeit, hätte doch diesen Kind-König nicht vergessen, wenn er gelebt hätte! Professor, ich fürchte, Sie jagen einem Hirngespinst nach …«
    Das war vor zwei Jahren gewesen. Aber Professor Mitchener hatte sich nicht beirren lassen.
    14 Monate hatte die Forschungsgruppe unter seiner Leitung auf dem
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