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Die Schöne vom Nil

Die Schöne vom Nil

Titel: Die Schöne vom Nil
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wo Getreide und Mais, Dattelpalmen und Zwiebeln, Gemüse und Süßkartoffeln gedeihen.
    Bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr hatte Mahdi ibn Kebir in einer weißgetünchten Lehmhütte gehaust, hatte das Land bestellt und gelebt wie alle Fellachen: in einer glücklichen Armut. Allah gab Wasser und Früchte des Bodens – was wollte man noch mehr? Genaugenommen war man sogar reich. Man besaß zehn Ziegen, vier Lastesel und zwei Kamele.
    Bei einem Marktgang nach Kairo war es dann geschehen: Ein Taxichauffeur überfuhr Mahdi ibn Kebir, und sein Unterschenkel mußte amputiert werden. Da keine Versicherung für den Unfall aufkam und der Taxifahrer selbst ein armer Hund war, die Polizei außerdem auf dem Standpunkt stand, ibn Kebir sei an dem Unfall selbst schuld gewesen – er sei wie ein Blinder direkt in den Wagen hineingestolpert –, verkaufte Mahdi ein Kamel und ließ sich für den Erlös eine hölzerne Prothese anfertigen. Seitdem machte es immer klack-klack, wenn er umherging, oder toc-toc, bis jemand sagte: »Bei Allah, da kommt ja Toc-Toc!«
    Ibn Kebir nahm den neuen Namen an, als sei er eine Auszeichnung. Und weil ein rechtschaffener Mann auch mal Glück haben soll, bekam er durch eine seltsame Fügung des Schicksals auch eine neue Stelle. In dem Taxi, das ihn überfuhr, saß nämlich ein wichtiger Mann aus der Akademie für ägyptische Geschichte, und der sagte zu Toc-Toc:
    »Wenn du Lust hast, kannst du in unserem Institut arbeiten. Da kannst du mehr Geld verdienen als mit deinem Fleckchen Land.«
    Mahdi hatte Lust. Er verpachtete sein Lehmhaus und seine Felder an einen Vetter zweiten Grades, der noch ärmer war als er, weil er für sieben Brüder zu sorgen hatte, und trat seine Stelle in Kairo an.
    Seine erste Aufgabe führte ihn gleich in die Gräberstadt Sakkara, wo ein Team des Ägyptischen Museums an einem Bildatlas des 5.000jährigen Friedhofs arbeitete. Toc-Toc übernahm die Aufsicht über die Arbeiter, die sich unter der Leitung der Archäologen in die Erde wühlten, unterirdische Gänge freilegten und Sand, Staub und Geröll an die Erdoberfläche schleppten.
    Nach drei Jahren war Toc-Toc der anerkannte Fachmann für Grabungen.
    Er hatte sogar eine Erfindung gemacht, die heute nicht mehr wegzudenken war: Trug man bisher den Sand und die Steine aus der Tiefe in Körben oder Eimern weg – Bagger kann man ja nicht immer einsetzen, denn bei Ausgrabungen kommt es auf Millimeterschichten des Erdreichs an –, so tauchten eines Tages Toc-Tocs Arbeiter mit großen, gebogenen schwarzen Tragkörben auf. Sie bestanden aus halbierten LKW-Reifen! Eine geniale Idee, und man konnte die dreifache Menge transportieren; außerdem wurden die Rücken der Arbeiter nicht mehr wund, denn der Gummi drückte nicht so stark wie ein Flechtkorb oder ein hölzernes Gefäß.
    Als Professor Mitchener mit seinem Team in Sakkara einzog, sagte Dr. Aschar zu ihm: »Ich gebe Ihnen Toc-Toc als Faktotum. Einen Besseren gibt's in ganz Ägypten nicht. Der organisiert Ihnen alles, was Sie brauchen, und wenn er's beim Nachbarn klaut. Auf Toc-Toc können Sie sich verlassen. Manchmal hat er einen sechsten Sinn. Dann steht er auf dem Gräberfeld, blickt über das Land und scheint weit weg zu sein. Und auf einmal sagt er: ›Grabt dort! Da ist noch ein Stollen!‹ Und tatsächlich, bisher hatte er immer recht. Man hat das Gefühl, die Seele des alten Ägypten lebe in ihm fort.«
    Das waren geradezu prophetische Worte!
    In den vergangenen 14 Monaten hatte Toc-Toc allein durch sein ›Gefühl‹ mehr Gräber entdeckt, als alle wissenschaftlichen Berechnungen vermuten ließen. Von Mathematik oder Geometrie verstand Toc-Toc nicht mehr als ein Kamel von der britischen Geschichte – und trotzdem sagte er, wenn er die Schatten der Stufenpyramide des Königs Djoser verfolgte, ganz gezielt: »Dort muß man graben!« Er entdeckte zwar nicht die Gruft des sagenhaften Menesptah, aber immerhin drei gut erhaltene Gräber von Priestern in zehn Meter Tiefe.
    »Sir!« schrie Toc-Toc jetzt und sprang aus seinem klapprigen Jeep. »Doc! Wir haben etwas gefunden! Vielleicht ist es ja nichts wert, aber sehen Sie sich es doch einmal an!«
    Er lief zu Dr. Herburg und schwenkte das Stück einer Steinplatte in der Hand. Frank Herburg warf seinen Putzlappen hin, betrachtete den Fund und wischte dann ganz vorsichtig mit der Handfläche den Staub aus den vielfachen Rissen.
    Eine flache Steinplatte, von Menschenhand geschliffen. Darauf, nur noch schemenhaft zu erkennen,
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