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Die Rückkehr des Poeten

Die Rückkehr des Poeten

Titel: Die Rückkehr des Poeten
Autoren: Michael Connelly
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immer noch in L. A. bist.«
    »Na ja, ich habe mir ein paar Tage freigenommen. Ich bin sogar auf Wohnungssuche.«
    »Tatsächlich?«
    Ich drehte mich mit dem Rücken zum Geländer, damit ich sie ansehen konnte.
    »Ich bin ziemlich sicher, dass ich durch diese Geschichte endlich aus South Dakota wegkomme. Ich weiß zwar nicht, in welche Abteilung sie mich versetzen werden, aber ich werde L. A. angeben. Jedenfalls hatte ich das vor, bis ich gesehen habe, was sie hier für Mieten haben. In Rapid City kriege ich für fünfhundertfünfzig Dollar im Monat eine richtig schöne und sichere Wohnung.«
    »Ich könnte dir auch hier was für fünfhundertfünfzig finden, aber von der Lage wärst du wahrscheinlich nicht begeistert. Wahrscheinlich müsstest du auch eine Fremdsprache lernen.«
    »Nein, danke. Aber ich bleibe dran. Und was hast du so getrieben?«
    »Ich komme gerade aus dem Parker Center. Ich habe meine Unterlagen eingereicht. Ich fange wieder bei der Polizei an.«
    »Dann können wir das mit uns wohl vergessen. Ich habe gehört, FBI und LAPD reden nicht miteinander.«
    »Ja, da gibt es eine Wand. Aber sie soll schon ab und zu gefallen sein. Ich habe ein paar Freunde beim FBI. Ob du es glaubst oder nicht.«
    »Ich glaube es, Harry.«
    Ich merkte, dass sie wieder dazu übergegangen war, mich beim Vornamen zu nennen. Ich fragte mich, ob das hieß, dass die Beziehung beendet war.
    »Und wann«, fragte ich sie, »hast du das mit McCaleb rausgekriegt?«
    »Wie meinst du das? Was soll ich rausgekriegt haben?«
    »Ich meine, wann hast du rausgekriegt, dass Backus ihn nicht umgebracht hat? Dass er Selbstmord begangen hat.«
    Sie legte beide Hände auf das Geländer und schaute in das ausgetrocknete Flussbett. Aber sie betrachtete dort unten nicht wirklich etwas.
    »Was redest du da eigentlich für Zeug, Harry?«
    »Ich habe rausgefunden, wer William Bing ist. Es ist ein Affe aus dem Lieblingsbuch seiner Tochter.«
    »Na und? Was soll das groß zu bedeuten haben?«
    »Es heißt, er hat sich in Las Vegas unter einem falschen Namen im Krankenhaus angemeldet. Irgendetwas war nicht in Ordnung mit ihm, Rachel. Irgendetwas hier drinnen.«
    Ich berührte die Mitte meiner Brust.
    »Vielleicht befasste er sich mit dem Fall, vielleicht auch nicht. Aber er wusste, mit seinem Herz stimmte etwas nicht, und deshalb fuhr er nach Las Vegas und in dieses Krankenhaus, um sich untersuchen zu lassen, ohne dass jemand etwas davon mitbekäme. Er wollte nicht, dass es seine Frau und seine Kinder erführen. Er ließ sich also untersuchen, und was dabei herauskam, war nicht gerade erfreulich. Sein zweites Herz ging den Weg des ersten. Myo … kardio … oder wie das heißt. Auf gut Deutsch, er hatte nicht mehr lang zu leben. Er brauchte ein neues Herz, oder er würde sterben.«
    Rachel schüttelte den Kopf, als wäre ich verrückt.
    »Ich habe keine Ahnung, wie du darauf kommst und woher du das alles zu wissen glaubst, aber du kannst doch nicht im Ernst …«
    »Rachel, ich weiß, was ich weiß. Und ich weiß zum Beispiel, dass er seine Krankenversicherung bereits ausgeschöpft hatte, und wenn er sich in die Warteliste für ein neues Herz eingetragen hätte, hätten sie alles verloren, das Haus, das Boot, alles. Für ein neues Herz wäre das alles draufgegangen.«
    Ich hielt kurz inne und fuhr dann ruhig fort.
    »Das wollte er nicht. Er wollte auch nicht, dass ihn seine Familie langsam sterben sähe, als Sozialhilfeempfänger. Und er konnte sich auch nicht mit der Vorstellung anfreunden, dass ein anderer Mensch sterben müsste, damit er leben könnte. Auch das hatte er schon einmal durchgemacht.«
    An dieser Stelle verstummte ich, um zu sehen, ob sie wieder protestieren und mich eines Besseren belehren würde. Diesmal blieb sie still.
    »Das Einzige, was er noch hatte, waren seine Lebensversicherung und seine Pension. Er wollte, dass ihnen das bliebe. Deshalb war er es, der die Tabletten vertauscht hat. Unter dem Sitz seines Autos war eine Quittung aus einem Naturkostladen. Dort habe ich heute Morgen angerufen, um mich zu erkundigen, ob sie pulverisierten Haiknorpel verkaufen. Machen sie.
    Er vertauschte seine Tabletten und nahm sie einfach weiter. Er dachte, solange er so tat, als nähme er sie ein, würde keine Autopsie vorgenommen und niemand würde Verdacht schöpfen.«
    »Aber das war nicht der Fall, oder?«
    »Nein, aber auch für diesen Fall hatte er vorgesorgt. Deshalb wartete er auf einen mehrtägigen Charter. Er wollte draußen auf dem
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