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Eine zweite Chance

Eine zweite Chance

Titel: Eine zweite Chance
Autoren: Karin Alvtegen
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Kapitel 1
    »Anders, können Sie mich hören?«
    Die fremde Stimme klang freundlich und warm, kam aber von einem weit entfernten Ort. Er sollte wohl antworten, aber ehe er diesen Gedanken zu Ende denken konnte, war er schon wieder zurück in einen Dämmerschlaf gefallen. Befreit von allem schwebte er in einem sorgenfreien Raum, ohne Verurteilungen, Überzeugungen oder festgefahrene Gedankengänge. Alles war an seinem Anfang und voller Möglichkeiten.
    »Anders, hören Sie mich? Anders?«
    Hört auf, mich zu stören! Ich will hierbleiben!
    Er wusste nicht, ob seine Antwort einen Sinn ergab. Er versuchte zu fliehen, aber jetzt gab es etwas, das ihn daran hinderte. Da war dieser Geruch. Eine Sekunde später wurde ihm klar, was dieser Geruch bedeutete – Gefahr! Du befindest dich in Gefahr!
    Er wurde von flimmernden Bildern hinaufgezogen. Ein sich steigerndes rhythmisches Rauschen. Der Geschmack von Metall, sein Kopf schmerzte, etwas befand sich in seiner Nähe. Er blinzelte, um eine Erklärung zu finden. Ein grelles Licht blendete ihn, und sein Blick irrte umher. Neben ihm stand eine weiße Gestalt, und er spürte kühle Finger um sein Handgelenk.
    Nur der Geruch war deutlich.
    Der unverkennbare Geruch von etwas, das er einmal zu verabscheuen gelernt hatte – der Geruch von Krankenhaus.
    »Anders, Sie sollten versuchen, kurz wachzubleiben. Wissen Sie, wo Sie sind? Sie hatten einen Autounfall. Sie befinden sich im Krankenhaus von Sundsvall.«
    Die Worte schwebten herum, waren schwer zu greifen. Jemand sagte, er hätte einen Autounfall gehabt. Das war eine unsinnige Behauptung. So etwas war nicht passiert. All das Verwirrende um ihn herum steigerte seine Angst noch, und überall war dieser Geruch. Er wollte weg von hier, wurde aber von sanften Händen zurückgehalten.
    »Keine Angst, Anders, wir haben ein Schädelröntgen gemacht, und alles sieht gut aus. Versuchen Sie einfach ruhig zu bleiben, Sie müssen sich keine Sorgen machen. Gibt es einen Angehörigen, den wir benachrichtigen sollen?«
    Der Mund war trocken, die Zunge klebte. Er war bis auf die Unterhose nackt und hatte das Bedürfnis, sich zu bedecken. Er wollte seine Kleider haben, wer hatte ihn ausgezogen? Und was war während der Zeit geschehen, die er geschlafen hatte?
    Während der folgenden Stunde versuchte er, den Rat der Schwester zu beherzigen. Obwohl er wieder und wieder wegdämmerte, beantwortete er gehorsam alle Fragen. Haben Sie hier in den Zehen ein Gefühl? Können Sie Ihren Namen sagen? Andauernd weckten sie ihn auf, zwickten ihn in die Füße, leuchteten in seine Augen. Der Blutdruck wurde gemessen und die Pulsschläge gezählt, während er seine Adresse herunterleiern musste.
    Seine Fügsamkeit hatte ein einziges Ziel – so schnell wie möglich hier herauszukommen.
    Heimlich erkundete er seinen Körper. Vorsichtig tasteten die Finger über die Haut, aber es gab keine Anzeichen einer Verletzung. Alle Gelenke ließen sich bewegen, und abgesehen von den Kopfschmerzen und einer schmerzenden linken Schulter schien der Rest des Körpers heil. Jedenfalls äußerlich.
    Er erinnerte sich an nichts von dem, was vorgefallen war. Ein Stück seines Lebens fehlte. Erschrocken über den Verlust und in einem verzweifelten Bedürfnis nach Zusammenhang tastete er nach losen Fäden. Die Erinnerung brach abrupt an einer Tankstelle ab, an der er sich ein Würstchen mit Brot gekauft hatte. Er erinnerte sich an einen Mann in einer Daunenjacke, der seinen Aston Martin bewundert hatte. Danach brachen seine Erinnerungen abrupt ab. Ein blankes Nichts, an dem er offenbar doch als hilfloser Mittelpunkt teilgenommen hatte. Auf Menschen angewiesen, die sich erinnerten.
    Was hatten sie gesehen, die Menschen, die Zeugen seiner Hilflosigkeit gewesen waren?
    Unaufgefordert erzählte die Krankenschwester, was sie wusste. Der Unfall hatte sich ein paar Meilen nördlich von Sundsvall ereignet, wo der Wagen auf einer geraden Strecke von der Straße abgekommen war. Das Rettungspersonal hatte den Verdacht, dass er am Steuer eingeschlafen war, es gab keine andere Erklärung. Diejenigen, die das Wrack gesehen hatten, hatten von einem Wunder gesprochen. Nur um wenige Meter hatte er einen Bergrücken verfehlt und war dann an zwei Bäumen vorbeigefahren.
    »Sie müssen wirklich einen Schutzengel gehabt haben.«
    Anders hörte zu und wunderte sich. Dass er eingeschlafen sein sollte, war keine vernünftige Erklärung, viel zu viel Zeit war vergangen, seit ihm das gelungen war, ohne dass er
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