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Die Rückkehr des Poeten

Die Rückkehr des Poeten

Titel: Die Rückkehr des Poeten
Autoren: Michael Connelly
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geschafft. Ich hatte überlebt. Ich war außer Gefahr. Ich lächelte, als ein Feuerwehrmann mit einem Schutzhelm eine Decke um mich legte.
    »Wir bringen Sie zur Uniklinik, um Sie untersuchen zu lassen«, brüllte er gegen das Dröhnen der Rotoren und gegen den Regen an. »In zehn Minuten sind wir da.«
    Er machte das Okay-Zeichen, und ich erwiderte es. Dabei merkte ich, dass meine Finger von einem bläulichen Weiß waren und dass ich nicht nur wegen der Kälte zitterte.
    »Tut mir Leid, das mit Ihrem Freund«, brüllte der Feuerwehrmann.
    Ich sah, dass er durch ein Sichtfenster in der unteren Hälfte der Tür blickte, die er gerade zugeschoben hatte. Ich beugte mich vor und schaute und sah Backus im Wasser treiben. Er dümpelte mit dem Gesicht nach oben träge in der Strömung.
    »Mir tut es nicht Leid«, sagte ich, aber nicht laut genug, um gehört werden zu können.
    Ich lehnte mich in den Notsitz zurück, auf den sie mich gesetzt hatten. Ich schloss die Augen und nickte dem heraufbeschworenen Bild meines stummen Partners Terry McCaleb zu, der lächelnd am Heck seines Bootes stand.

43
    E
    in paar Tage später klarte der Himmel auf, und die Stadt begann, zu trocknen und sich aus dem Schlamm zu graben. In Malibu und Topanga war es zu Erdrutschen gekommen. Der Küstenhighway war in absehbarer Zukunft nur zweispurig befahrbar. In den Hollywood Hills waren die tiefer gelegenen Straßen überschwemmt worden. Im Fareholm Drive wurde ein Haus mitgerissen. Es wurde auf die Straße hinausgespült und machte einen alternden Filmstar obdachlos. Zwei Todesfälle wurden dem Unwetter zugeschrieben – ein Golfer, der aus unerfindlichen Gründen beschlossen hatte, zwischen zwei Hochphasen des Unwetters ein paar Löcher zu spielen, und vom Blitz getroffen wurde, als er zum Schlag ausholte, und Robert Backus, der flüchtige Serienmörder. Der Poet war tot, verkündeten Schlagzeilen und Nachrichtensprecher. Backus’ Leiche wurde am Sepulveda Dam aus dem Fluss gefischt. Todesursache: Ertrinken.
    Auch das Meer beruhigte sich, und ich nahm die Morgenfähre nach Catalina, um Graciela McCaleb aufzusuchen. Ich mietete einen Golfcart und fuhr zum Haus hoch, wo sie an die Tür kam und mich mit ihrer Familie empfing. Ich lernte Raymond kennen, den Adoptivsohn, und Cielo, das Mädchen, von dem Terry mir erzählt hatte. Die Begegnung mit ihr hatte zur Folge, dass ich meine Tochter vermisste, und sie erinnerte mich an die Zerbrechlichkeit des Lebens.
    Überall im Haus standen Kartons, und Graciela erklärte mir, das Unwetter habe ihren Umzug aufs Festland verzögert. Einen Tag später würden ihre Sachen zu einem Lastkahn hinuntergebracht, der zum Festland hinüberführe, wo im Hafen ein Möbelwagen bereitstünde. Es war umständlich und teuer, aber sie bereute die Entscheidung nicht. Sie wollte die Insel und die mit ihr verbundenen Erinnerungen verlassen.
    Wir gingen zu dem Tisch auf der Terrasse hinaus, damit wir reden konnten, ohne dass die Kinder zuhörten. Es war ein schöner Platz mit Blick auf den ganzen Avalon Harbor. Es fiel einem schwer, zu glauben, dass sie das aufgeben wollte. Ich konnte die Following Sea sehen, und ich bemerkte, dass jemand im Heck war und dass eine der Deckluken offen war.
    »Ist das Buddy da unten?«
    »Ja, er macht das Boot fertig, um es aufs Festland zu überführen. Das FBI hat es gestern zurückgebracht – leider ohne vorher anzurufen. Sonst hätte ich ihnen gesagt, sie sollten es gleich nach Cabrillo bringen. Das muss jetzt Buddy machen.«
    »Was haben Sie mit dem Boot vor?«
    »Buddy führt die Firma allein weiter. Er macht die Chartertouren vom Festland aus und zahlt mir Miete für das Boot.«
    Ich nickte. Es hörte sich vernünftig an.
    »Das Boot zu verkaufen brächte nicht besonders viel. Und außerdem, ich weiß nicht, Terry hat so viel Arbeit in das Boot gesteckt. Deshalb fände ich es nicht richtig, es an einen Fremden zu verkaufen.«
    »Das kann ich verstehen.«
    »Übrigens, Sie könnten vielleicht mit Buddy zurückfahren, statt auf die Fähre zu warten. Nur wenn Sie wollen, natürlich. Falls Ihnen Buddy noch nicht zu sehr auf die Nerven geht.«
    »Nein, nein, Buddy ist in Ordnung. Ich habe nichts gegen ihn.«
    Wir saßen eine Weile schweigend da. Ich hatte nicht das Gefühl, ihr noch irgendetwas über die ganze Angelegenheit sagen zu müssen. Wir hatten telefoniert – weil ich ihr alles hatte erklären wollen, bevor sie es aus den Medien erfuhr –, und die Zeitungen und das Fernsehen hatten
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