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Die Rückkehr des Poeten

Die Rückkehr des Poeten

Titel: Die Rückkehr des Poeten
Autoren: Michael Connelly
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den Kiesboden an den Rand des Kanals.
    Er hatte es auf meine Pistole abgesehen und versuchte, sie mir mit beiden Händen zu entreißen. Wenn er die Waffe an sich brachte, war alles vorbei, er würde erst mich töten und dann Rachel. Er durfte auf keinen Fall an die Waffe kommen.
    Er rammte mir den linken Ellbogen gegen das Kinn, und ich spürte, wie mein Griff schwächer wurde. In der Hoffnung, einen Finger oder eine Handfläche zu treffen, drückte ich zweimal ab. Er japste vor Schmerzen, doch dann setzte er mir noch stärker zu, denn angestachelt von Schmerz und blinder Wut, verdoppelte er jetzt seine Anstrengungen.
    Inzwischen war sein Blut zwischen meine Finger und die Waffe geraten und das hatte zur Folge, dass ich sie noch schlechter im Griff hatte. Ich würde die Waffe verlieren. Das spürte ich ganz deutlich. Er hatte die bessere Position und animalische Kraft. Mein Griff wurde schwächer. Ich konnte versuchen, noch ein paar Sekunden durchzuhalten, bis Rachel uns erreichte, aber umgekehrt konnte sie auch in eine tödliche Falle laufen.
    Stattdessen ergriff ich die einzige andere Möglichkeit, die mir noch blieb. Ich stemmte die Absätze in den Kies und bog den ganzen Körper nach oben durch. Meine Schultern rutschten über den Betonrand. Ich stemmte mich wieder mit den Fersen ein und wiederholte das Manöver. Diesmal reichte es. Im selben Moment schien Backus zu begreifen, was ich vorhatte. Er ließ die Waffe los und versuchte, sich an der Kante festzuhalten. Aber auch für ihn war es zu spät.
    Zusammen stürzten wir über den Rand des Kanals in das schwarze Wasser.
     
    Rachel sah sie aus nur wenigen Metern Entfernung fallen. Sie schrie » Nein! « , als ob sie das aufhalten könnte. Sie erreichte die Stelle und blickte nach unten und sah nichts. Dann lief sie am Kanal entlang weiter und unter der Brücke hervor. Sie sah nichts. Sie hielt im reißenden Wasser flussabwärts nach ihnen Ausschau.
    Dann sah sie Bosch an die Oberfläche kommen und den Kopf herumreißen, als wolle er sich orientieren. Er mühte sich mit irgendetwas unter dem Wasser ab, und schließlich wurde ihr klar, dass es sein Regenmantel war. Er versuchte, ihn abzustreifen.
    Sie suchte den Fluss ab, sah aber Backus’ kahlen Schädel nirgendwo. Sie blickte wieder zu Bosch, der von ihr fortgetragen wurde. Sie sah ihn zu ihr zurückschauen. Er hob einen Arm aus dem Wasser und zeigte irgendwohin. Sie blickte in die entsprechende Richtung und sah den Mercedes, der auf der Brücke stand. Sie sah die Scheibenwischer hin und her schwenken und begriff, dass die Schlüssel noch steckten. Sie rannte los.
     
    Das Wasser war kalt, kälter, als ich erwartet hatte. Und ich war von dem Kampf mit Backus bereits geschwächt. Ich kam mir schwer vor im Wasser und fand es schwierig, mein Gesicht über der Oberfläche zu halten. Das Wasser war wie etwas Lebendiges, das nach mir griff und mich nach unten zog.
    Meine Waffe war weg, und von Backus fehlte jede Spur. Ich breitete die Arme aus und versuchte meinen Körper in eine Lage zu bringen, in der ich auf dem reißenden Wasser treiben würde, bis ich wieder zu Kräften kam und etwas unternehmen konnte oder bis Rachel Hilfe holte.
    Ich musste an den Jungen denken, der vor vielen Jahren in den Fluss gefallen war. Feuerwehrleute, Polizisten, sogar Passanten hatten ihn zu retten versucht, indem sie Schläuche und Leitern und Seile in die reißenden Fluten hängten. Aber sie verfehlten ihn alle, und er ging unter. Irgendwann gehen sie in den Narrows alle unter.
    Ich versuchte, nicht daran zu denken. Ich versuchte, nicht in Panik zu geraten. Ich drehte die Handflächen nach unten, und so war es mir anscheinend besser möglich, mein Gesicht über Wasser zu halten. Es erhöhte die Geschwindigkeit, mit der ich dahintrieb, aber es hielt meinen Kopf aus dem Wasser. Es verlieh mir Zuversicht. Ich begann daran zu glauben, dass ich es schaffen könnte. Eine Weile. Es hing ganz davon ab, wann Hilfe eintraf. Ich blickte zum Himmel hoch. Keine Hubschrauber. Keine Feuerwehr. Noch keine Hilfe. Nur das graue Nichts aus Leere dort oben und der Regen, der unaufhörlich herunterkam.
    In der Notrufzentrale sagten sie Rachel, sie solle am Telefon bleiben, aber mit dem Handy am Ohr konnte sie nicht schnell und gut und sicher fahren. Ohne die Verbindung zu unterbrechen, legte sie es deshalb auf den Beifahrersitz. Am nächsten Stoppschild bremste sie so abrupt, dass das Handy auf den Boden flog, wo sie nicht mehr hinkam. Aber das
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