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Die Rückkehr des Poeten

Die Rückkehr des Poeten

Titel: Die Rückkehr des Poeten
Autoren: Michael Connelly
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kurzem haben wir auf dem GPS einen übereinstimmenden Fingerabdruck gefunden. Er hat die Batterien gewechselt, und auf einer war ein Daumenabdruck. Robert Backus. Er ist es. Er ist zurück.«
    Rachel öffnete langsam ihre Faust und betrachtete ihre Hand. Sie war so reglos wie die einer Statue. Das Entsetzen, das sie eben noch empfunden hatte, änderte sich jetzt. Sich selbst konnte sie es eingestehen, aber sonst niemandem. Sie spürte, wie der Saft wieder in ihrem Blut zu kursieren begann und es zu einem dunkleren Rot färbte. Fast schwarz. Sie hatte auf diesen Anruf gewartet. Sie schlief jede Nacht mit dem Handy am Ohr. Ja, das gehörte zu ihrem Job. Die Rufbereitschaft. Aber das war der einzige Anruf, auf den sie wirklich gewartet hatte.
    »Man kann den Wegpunkten Namen geben«, sagte Dei in die Stille hinein. »Auf dem GPS. Bis zu zwölf Zeichen und Leerstellen. Er hat diese Stelle ›Hallo Rachel‹ genannt. Geht genau auf. Wahrscheinlich hat er immer noch was für Sie übrig. Es ist, als wollte er, dass Sie da rauskommen, als hätte er irgendwas ganz Bestimmtes im Sinn.«
    Rachels Gedächtnis förderte das Bild eines Mannes zutage, der rücklings durch eine Glasscheibe und in tiefe Dunkelheit stürzte. In der dunklen Leere darunter verschwand.
    »Bin schon unterwegs«, sagte sie.
    »Wir operieren von der Außenstelle Las Vegas aus. Dort ist es einfacher, die Sache unter Verschluss zu halten. Seien Sie bitte vorsichtig, Rachel. Wir wissen nicht, was er dabei im Schilde führt. Passen Sie also auf.«
    »Mache ich. Mache ich immer.«
    »Geben Sie mir Ihre Ankunftszeit durch, und ich hole Sie ab.«
    »Mache ich«, wiederholte sie.
    Dann drückte sie auf die Taste, die die Verbindung unterbrach. Sie streckte die Hand nach dem Nachttisch aus und machte das Licht an. Einen Augenblick lang erinnerte sie sich an den Traum, an die Stille des schwarzen Wassers und des Himmels darüber, wie schwarze Spiegel, die sich gegenüberlagen. Und sie dazwischen, einfach nur schwebend.

2
    G
    raciela McCaleb wartete vor meinem Haus in Los Angeles neben ihrem Auto, als ich dort ankam. Sie war pünktlich zu unserer Verabredung erschienen, ich nicht. Ich fuhr rasch in den Carport und stieg aus, um sie zu begrüßen. Sie schien nicht sauer auf mich zu sein. Sie schien es gelassen zu nehmen.
    »Graciela, es tut mir Leid, dass ich zu spät komme. Ich wurde im Morgenverkehr auf dem Zehner aufgehalten.«
    »Das macht doch nichts. Es war eigentlich richtig schön. Es ist so ruhig hier oben.«
    Ich schloss die Haustür auf und versuchte, sie aufzudrücken, aber die Post, die dahinter auf dem Boden lag, verfing sich darunter. Ich musste mich bücken und um die Tür herumlangen, um die Umschläge herauszuziehen und die Tür öffnen zu können.
    Nachdem ich mich aufgerichtet und zu Graciela herumgedreht hatte, zeigte ich mit dem Arm ins Haus. Sie ging an mir vorbei und trat ein. Aufgrund der Umstände lächelte ich nicht. Das letzte Mal hatte ich Graciela bei der Trauerfeier gesehen. Diesmal sah sie nur unwesentlich besser aus. In ihren Augen und Mundwinkeln hielt sich der Kummer noch immer.
    Als sie in der engen Diele an mir vorbeiging, roch ich einen süßen Orangenduft. Ich konnte mich von der Trauerfeier an ihn erinnern, als ich ihre Hände mit den meinen umfasst, ihr mein Beileid ausgedrückt und ihr meine Hilfe angeboten hatte, falls sie welche benötigte. Damals hatte sie Schwarz getragen. Diesmal trug sie ein geblümtes Sommerkleid, das besser zu dem Duft passte. Ich führte sie ins Wohnzimmer und bat sie, auf der Couch Platz zu nehmen. Ich fragte sie, ob sie etwas zu trinken wolle, obwohl ich außer ein paar Flaschen Bier im Kühlschrank und Wasser aus der Leitung nichts im Haus hatte, was ich ihr hätte anbieten können.
    »Nein danke, Mr. Bosch. Nicht nötig.«
    »Sagen Sie bitte Harry zu mir. Kein Mensch nennt mich Mr. Bosch.«
    Jetzt versuchte ich es mit einem Lächeln, aber es funktionierte nicht bei ihr. Und ich wusste auch nicht, wie ich darauf kam, dass es funktionieren könnte. Sie hatte schon einiges durchgemacht. Ich hatte den Film gesehen. Und jetzt diese Tragödie. Ich setzte mich in den Sessel gegenüber der Couch und wartete. Sie räusperte sich, bevor sie zu sprechen begann.
    »Wahrscheinlich fragen Sie sich, warum ich unbedingt persönlich mit Ihnen sprechen wollte. Ich war am Telefon nicht sehr mitteilsam.«
    »Das macht doch nichts«, sagte ich. »Allerdings hat es mich neugierig gemacht. Ist irgendwas nicht in
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