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Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall

Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall

Titel: Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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    »Edel geht die Welt zugrunde: Ein 1500 Euro teurer Platinring in der Asche einer Tierkörperbeseitigungsanlage«, murmelte Tannenberg kopfschüttelnd vor sich hin. »Sachen gibts.«
    Der Lichtschein seiner Schreibtischlampe spiegelte sich in dem silberfarbenen Metall als kleiner, greller Leuchtpunkt wider. Er drehte den Ring, doch der gleißende Punkt verharrte unbeeindruckt an derselben Stelle. Schmunzelnd legte er den Platinring in die Kuhle seiner geöffneten linken Hand und ließ ihn darin ein paarmal herumhüpfen.
    Nach mehreren erfolglosen Versuchen, das wertvolle Schmuckstück über den Knöchel seines linken Ringfingers zu drücken, steckte er trotzig den Ring an den kleinen Finger, wo dieser sich auch problemlos bis zum Handteller durchschieben ließ. Dann zog er ihn wieder ab und betrachtete die Innengravur. › In ewiger Liebe deine Leonie ‹ stand dort in das edle Metall eingefräst. Er drehte den Platinring im Urzeigersinn ein Stückchen weiter.
    Aber wieso steht da kein Datum drin?, dachte er. In einen Ehering wird doch immer der Tag der Trauung eingraviert.
    Nachdenklich brummte er auf. Da er diese Frage nur sich selbst gestellt hatte, erhielt er natürlich auch keine Antwort – dafür aber eine Inspiration: Plötzlich erinnerte er sich nämlich an ein Geschicklichkeitsspiel, mit dem er und sein älterer Bruder sich in ihrer Kindheit oft stundenlang die Zeit vertrieben hatten. Die einzigen Spiel-materialien, die sie dafür benötigten, war ein Trauring der Eltern und die mit einem Sekundenzeiger ausgestattete Küchenuhr.
    In Windeseile hatte der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission Akten, die Schreibtischunterlage und diverse andere Utensilien zur Seite geschoben. Er zückte ein Taschentuch und polierte mit flinken Bewegungen die freigeräumte Resopalplatte. Dann stellte er den wertvollen Platinring auf die spiegelglatte Oberfläche, drehte ihn mit den Fingerkuppen seiner Daumen und Zeigefinger um 90 Grad, so dass er sich genau senkrecht zu seiner Körperachse positionierte.
    Nach einer kurzen Konzentrationsphase schleuderte er beide Hände zeitgleich so geschickt nach außen, dass der Ring, von einem unglaublichen Rotationseffet angetrieben, als durchsichtiger Silberball über die Schreibtischplatte zu tänzeln begann. Fasziniert folgte Tannenbergs gedankenversunkener Blick dem funkelnden Kreisel, der sich wie von unsichtbaren Marionettenfäden geführt in elliptischen Bahnen über die Tischplatte hinwegbewegte.
    Sieht irgendwie aus wie eine Flipperkugel, dachte er. Nur eben mit dem gravierenden Unterschied, dass man durch sie hindurchschauen kann.
    Plötzlich schlug die silbrige Kugel einen Haken, schoss direkt auf seinen Bauchnabel zu und sprang über die Tischkante hinweg in seine reflexartig geöffnete Hand. Lächelnd schickte er den Ring erneut auf die Reise, diesmal allerdings mit einem anschließenden Blick auf die Armbanduhr.
    Knapp vierzig Sekunden – gar nicht schlecht!, lobte er sich selbst, nachdem sich der Platinring trudelnd auf die Seite gelegt hatte.
    Er wiederholte das Kreiselspiel noch mehrere Male, schaffte es aber nicht, die im ersten der mitgestoppten Versuche erreichte Bestzeit zu übertreffen. Er nahm den Ring vom Tisch und betrachtete abermals die Innengravur. Bereits nach kurzer Zeit lösten sich jedoch seine Augen wieder von der geschwungenen Inschrift. Sein versonnener Blick durchdrang den Platinring und fiel auf einen roten Aktenordner.
    Das ist genau der Song, der jetzt passt!, stellte er schmunzelnd fest. Er ließ den Ring noch einmal über den Tisch tanzen und sang dabei:
     
    »I fell into a burning ring of fire
    I went down, down, down
    And the flames went higher
    And it burns, burns, burns
    The ring of fire, the ring of fire.«
     
    »Vögelchen, die morgens singen, hat abends die Katze gefressen!«, erklang plötzlich die markante Stimme Dr. Schönthalers, der gerade Tannenbergs Büro betrat. »Sag mal, hast du etwa Drogen genommen?«
    »Was? Warum?«, gab der Angesprochene konsterniert zurück.
    »Na ja, Wolf.« Er blieb stehen und blickte auf seine Armbanduhr. »Es ist jetzt genau 8 Uhr 49. Und um diese Uhrzeit bist du elender Morgenmuffel doch sonst nie gut gelaunt. Außerdem ist auch noch Montag.«
    Tannenberg reagierte mit einem kaum zu beschreibenden Geräusch, das nur schwerlich mit menschlichen Lautproduktionen in Verbindung zu bringen war.
    Dr. Schönthaler bedachte ihn daraufhin mit einem herausfordernden Grinsen. »Da ist doch etwas faul, alter
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