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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)
Autoren: Ju Honisch
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selbst die Vögel aufgehört zu singen, so still war es. Der Blumenduft, eben noch betörend, hing nun fast drückend und schwer über allem. Der Wind hatte aufgehört zu wehen. Nicht einmal das Wasser konnte man noch rauschen hören.
    Zu sechst schritten sie an die Yssen hinunter, Una, Irene, Kanura, Esteron, Enygme und Perjanu. Una versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Sie konnte nicht denken; ihr Kopf schwirrte. Tat sie das Richtige? Hatte sie eine Wahl? Sollte sie sich doch lieber weigern, es drauf ankommen lassen?
    Aber sie hatten eine Entscheidung getroffen. Eine endgültige Entscheidung, so furchtbar sie auch war. Una mochte nicht noch einmal darüber nachdenken. Jeder Zweifel würde den Schmerz noch unerträglicher machen, jede Unentschlossenheit die Last des Mannes, den sie liebte, ebenso vergrößern wie die Gefahr, in der er sich mit all den Seinen befand.
    Zurück. Es war nicht so, dass es ihr leicht gefallen war, auf ihre Welt zu verzichten, als sie geglaubt hatte, es gäbe kein Zurück. Doch auf ihre Liebe zu verzichten war, als würde ihr jemand das Herz bei lebendigem Leibe sezieren. Das Lächeln der Gottheit schnitt wie ein Skalpell.
    Atmen, dachte Una. Nicht denken. Atmen.
    Im Wasser konnte sie zwei bläuliche Schatten sehen, die wie große Otter unter der Wasseroberfläche hin und her schnellten. Nymphen. Würden die friedfertigen Wasserwesen der Göttin des Krieges wirklich helfen? Oder waren das Uruschge? Die Zerstörer würden besser zu Macha passen. Und vielleicht war es ja gar nicht vorgesehen, dass sie und ihre Mutter ihre Welt lebend erreichten.
    Una bekam Angst.
    Enygme zog sie und ihre Mutter in ihre Arme. Die Wege sind offen, flüsterte sie direkt in Unas Gedanken. Una war sich sicher, dass das sonst niemand hörte. Aber vielleicht bildete sie es sich auch nur ein.
    Esteron hielt sie als Nächster fest, küsste Una wie eine Tochter und Irene wie eine Geliebte. Er ist der Retter der Nymphen – sie sind seine Freunde, erklang seine tiefe Stimme tief in Una, als erbebten ihre Knochen mit dem Schall, der nicht durch die Luft getragen wurde.
    Nun stand sie wieder vor Kanura. Er hatte seine Hornklinge fortgesteckt und hielt Una an beiden Händen, die so stark waren und deren Zärtlichkeit sie nie mehr auf ihrer Haut spüren würde. Seine Augen blickten ihr direkt in die Seele. Sie versuchte, sich jede Farbnuance seiner Iris einzuprägen, jeden Teil seines Gesichts, hoffte, ihn noch einmal lächeln zu sehen. Sie liebte sein Lächeln so sehr, sein jungenhaftes Grinsen. Doch er war ernst. Und der Blick aus seinen Augen war verzweifelt.
    Er atmete flatternd. Auch seine Stimme hörte sie tief in sich drin. Sie schwang in ihr wie eine gigantische Glocke, tief und volltönend.
    Wir sehen uns wieder!, sagte er. Das schwöre ich.
    » Mach nichts Falsches, Prinz Schwarzhorn « , spottete Macha.
    » Fehler « , gab Perjanu zurück, » sind dazu da, dass man sie korrigiert. «
    Das Wasser der Yssen war nicht allzu kalt, als Una vom Ufer in die Fluten trat. Mit ihre goldenen Sandalen kam sie auf den glitschigen Ufersteinen ins Rutschen. Es ging steil hinunter. Nymphen oder Uruschge? Übergang oder Tod?
    Die Hand ihrer Mutter klammerte sich an ihre. Ich habe Angst, wollte Una sagen, biss sich auf die Lippen und sagte es nicht, wollte nicht kläglich jammern. Eben noch hatte man ihren Mut gepriesen. Jetzt wusste sie nicht, ob sie so etwas überhaupt hatte.
    » Una! « , sagte Kanura hinter ihr. Die Traurigkeit in seiner Stimme schnitt ihr in die Seele. Sie drehte sich nicht um, wollte nicht, dass er ihre Tränen sah, klammerte sich nur an ihre Flöte.
    Dann tauchten die beiden Frauen in die Yssen, das Wasser schlug über ihren Köpfen zusammen und nahm sie mit sich. Etwas fasste nach ihnen, zog sie nach unten, während ihre weiten Kleider in nassen Schleiern um sie wirbelten.
    Vielleicht, dachte Una, vielleicht würden sie ja nicht ertrinken. Sie hielt sich an Kanuras Worten fest wie an einer Rettungsleine.
    Wir sehen uns wieder. Das schwöre ich.

Glossar
Adreiundfünfzigzwölf
Schamane der Menschen
Astur
Esterons Bruder
Dauronas
Kentaur
Edoryas
Kanuras Freund
Eryennis
Vertraute Freundin von Kanura
Esteron (mit Titel Hra-Esteron)
Fürst und Leithengst der Ra-Yurich, Vater von Kanura
Gherit Schwertmacher
Wächter am Fluss Yssen
Gorn (mit Titel Hre-Gorn)
Leithengst der Re-Hoyhn
Hyron (mit Titel Hre-Hyron)
Leithengst der Re-Gyurim
Irene Merkordt
Unas Mutter
Jan
Unas Exfreund
Kanura
Sohn von Esteron und
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