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Der Barbar

Der Barbar

Titel: Der Barbar
Autoren: Jason Dark
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Als der Rauch an ihrer Nase vorbeistreifte, trat Purdy Prentiss zwei Schritte zur Seite und ließ ihre Blicke über das trostlose Gelände wandern, das bei Baubeginn vor vielen Jahren als Kolonie eingestuft worden war. Man hatte die Häuser mit den zahlreichen Wohnungen am Rande der Stadt errichtet, versteckt zwischen Industrieanlagen, die in keinem Londoner Reiseführer zu finden waren. Ebenso wenig wie diese Siedlung aus rotbraunen Backsteinen, in denen die Menschen hausten, die andere Wohnungen nicht bezahlen konnten. Es wurden immer mehr. Die Preise in London waren explodiert. Ein Normalverdiener konnte seine Wohnung dort kaum noch bezahlen.
    Da gab es eben diese verdammten Ghettos, in denen Menschen aller Nationen und Hautfarben dicht beisammen wohnten, ohne je Aussicht zu haben, diesem Kreislauf entgehen zu können.
    Da prallten die Emotionen aufeinander. Alte Gräben wurden wieder aufgerissen, die ihren Ursprung in den Heimatländern der Mieter hatten. Für die Polizei war dieses Gebiet out of area , in die die Beamten leider immer wieder hinein mussten.
    Wie auch an diesem Tag.
    Da waren die beiden Babys gefunden worden. Tot. Versteckt in einem der großen Müllcontainer, die auf den Höfen standen und zumeist überquollen.
    Kaum geboren, schon getötet. Von einer jungen Mutter, die gerade mal 20 Jahre alt war und Zwillinge zur Welt gebracht hatte.
    Purdy Prentiss, die Staatsanwältin, war höchstpersönlich an den Tatort gefahren, um mit der jungen Mörderin zu sprechen. Sie hatte bei ihr eine Kälte erlebt, die sie erschreckte.
    Die Frau hatte ihr Leben einfach nicht ändern wollen. Der um 20 Jahre ältere Freund hatte von ihr verlangt, die Kinder wegzuschaffen, sonst hätte er sie nicht aus diesem Ghetto herausgeholt.
    Das war dann geschehen, und jetzt würde sich die junge Frau wegen Doppelmordes verantworten müssen.
    Sie hatte sich auch widerstandslos festnehmen lassen. Kein Wort des Protestes hatte sie gesagt. Purdy Prentiss würde dafür sorgen, dass sie in psychiatrische Behandlung kam. Irgendwie musste man ihr klar machen, was sie da getan hatte. Sie sollte darüber nachdenken. Zeit genug würde sie haben.
    Kollegen waren unterwegs, um den Freund zu verhaften. Ihm würde man kaum etwas anhängen können, denn er hatte die junge Frau nicht direkt zum Mord aufgefordert.
    Der ermittelnde Kollege trat die Kippe aus und sprach Purdy Prentiss wieder an. »Haben Sie hier noch etwas zu tun?«
    »Nein, ich werde fahren. Später bereite ich dann die Anklage vor.« Ihre Stimme klang schwer. »Ich begreife noch immer nicht, weshalb die beiden Kinder sterben mussten. Es hätte andere Möglichkeiten gegeben. Pflege, Adoption und Ähnliches.« Sie hob die Schultern. »Vielleicht sollten wir mehr für die Aufklärung tun, denn nichts ist so wertvoll wie ein Menschenleben.«
    »Da sagen Sie was. Nur wird das nicht immer so gesehen.«
    Die Staatsanwältin nickte. »Gut, dann werde ich jetzt fahren.« Sie deutete zum Himmel. »Das Wetter passt sich in diesem Fall meiner Stimmung an.«
    Da hatte sie nicht gelogen. Es war vorbei mit dem herrlichen Sonnenschein im Winter. Die Tiefdruckgebiete aus dem Westen ließen sich nicht mehr zurückdrängen. Die Temperaturen waren gestiegen, und der Himmel sah aus wie ein graues Meer, das immer tiefer sank und sicherlich bald seine Schleusen öffnen würde. Die gewaltigen Wolken sahen schon nach Regen aus. Irgendwie passte der auch zu Purdy’s Stimmung.
    Mit Handschlag verabschiedete sich die Staatsanwältin von dem Kollegen. »Sie hören von mir.«
    »Gut.«
    Purdy Prentiss stellte den Kragen ihres dunkelgrünen Ledermantels hoch und ging zu ihrem Wagen, den sie auf der Zufahrtsstraße abgestellt hatte. Es war mehr ein Weg als eine Straße. Der Belag war nicht mehr glatt. Löcher der verschiedensten Größen gab es. Aus ihnen wuchs karges Gras. Der Wind hatte zudem manchen Abfall herbeigeweht, doch das störte niemanden.
    Um den Wagen herum standen einige Kinder. Für Purdy waren sie die großen Verlierer dieses Teils der Gesellschaft, denn sie besaßen alles, nur keine Aussicht auf eine gute Zukunft.
    Der Wagen wurde bestaunt und fachmännisch begutachtet. Purdy sah den Glanz in den Augen der Kinder, die sie neidisch anschauten, als sie die Türen elektronisch öffnete.
    »Super, der Wagen.«
    »Ja, ich bin zufrieden.«
    Irgendwann kriege ich auch mal so einen.«
    »Dann streng dich an.« Es war eine blöde Bemerkung, aber Purdy fiel in diesen Momenten keine andere Antwort ein.
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