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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)
Autoren: Ju Honisch
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sie, das Gesicht der Malicorn direkt über ihrem eigenen zu sehen. Ihr roter Mund lachte, ihr Kuss war viel zu nah.
    Kanura. Er kam zu ihr, und sie liebten sich. Sie waren eins, und das war gut so. Sie verlor sich in seiner Liebe und fand sich dann doch darin wieder. Jede Berührung erfüllte sie immer wieder neu, und Una erfuhr jedes Mal aufs Neue, wie verbunden sie ihm war, als wäre er ein Teil ihres Wesens. » Meine Musik « , nannte er sie bisweilen, und sie flüsterte ihm dann » Mein Prinz « ins Ohr. Denn das war er. Ihr Prinz, und sie umfingen einander mit einer Intensität, die Una bisweilen ebenso atemlos ließ wie die körperliche Liebe, die sie zelebrierten wie einen Ritus der ultimativen Zusammengehörigkeit. Jede Faser ihres Seins vibrierte unter seinen Berührungen, und er tauchte in sie ein wie in Musik.
    Dann ging er wieder zu irgendeiner Versammlung der Einhörner oder des Rates, denn nach einem Krieg kam die Politik: die Beratungen, die Aufarbeitung, die Beschlüsse, die Maßnahmen. Sie war kein Ratsmitglied. Sie war kein Einhorn. Sie gehörte auch nicht zu den menschlichen Ratgebern.
    Gelegentlich wurde sie hinzugebeten, um ihren Bericht über all das, was geschehen war, abzugeben oder weitere Fragen zu beantworten. Wenn diese Einhörner etwas waren, dann gründlich. Und tiefgründig. Und genau. Und korrekt. Und es geziemte sich sicher nicht, den hehren Rat der Tyrrfholyn Korinthenkacker zu nennen. Also tat sie es nicht. Nicht laut zumindest. Sie hatten ja recht. Sie mussten verstehen, was geschehen war, um zu verhindern, dass es noch einmal passierte. Es war so ungeheuer viel geschehen. Eine ganze Welt hatte sich verändert.
    Und niemand wusste, was noch kommen würde.
    Die ersten Schanchoyi hatten bereits begonnen, Balladen über die Vorkommnisse zu schreiben. Manchmal suchte der eine oder andere sie auf und bat höflich um Details. Bisweilen kamen auch menschliche Barden. Und manchmal machten sie zusammen Musik.
    » Schön siehst du aus! « , erklang die Stimme ihrer Mutter von der hohen Doppeltür her. Irene war ebenfalls in den Gästeräumen der Fürstengemächer von Kerr-Dywwen untergebracht. Auch sie war befragt worden, aber da sie die meiste Zeit an einem unterirdischen Teich gesessen hatte, konnte sie nicht so viel an Information beitragen. Immerhin, die Visionen, die sie in dem schwarzen Gewässer gesehen hatte, waren für unerhört aufschlussreich befunden worden, vor allem die, die das Geschehen jenseits der Berge beschrieben.
    » Du aber auch! « , gab Una zurück und betrachtete ihre Mutter, die in einem metallisch irisierenden Gewand dastand und darin durchaus fürstlich wirkte. So ganz anders als sonst. Das Kleid war etwas schlichter gehalten als Unas Sissi-Kleid, gerade geschnitten, weniger dekolletiert, durchwirkt mit Silberfäden, deren Pendant sich in ihrem Haarschmuck wiederfand, der Irenes Hennahaare zu einem Kunstwerk in Rot und Silber auftürmte.
    Ihre Mutter drehte sich um sich selbst und lächelte. Dann seufzte sie leise. Sie war überglücklich gewesen, Una lebend wiederzusehen, auch wenn ihre Tochter geschwächt und abgekämpft gewirkt hatte. An diesem Glücksgefühl hielten sie sich beide fest. Es war wie der Fels in der Brandung der Emotionen.
    Una verstand Irenes Dilemma. Es war ihr nicht leicht gefallen, sich vorzustellen, dass ihre Mutter eine Affäre mit dem Fürsten gehabt hatte. Nicht, dass der Fürst nicht ein toller Hengst war. Das war er natürlich. Ein toller Hengst und eben ein Fürst. Und ihre Mutter war schließlich nur ihre Mutter. Die sexuellen Bedürfnisse oder Liebesabenteuer von Eltern waren etwas, über das Una noch nie wirklich hatte nachdenken wollen. Als ihr Vater plötzlich eine andere Frau liebte, hatte sie absolut nichts darüber wissen wollen, hatte den Gedanken einfach nur grässlich gefunden. Nun liebte ihre Mutter Kanuras – verheirateten – Vater. Das war irgendwie schwierig.
    Sie setzten sich nebeneinander auf das riesige Bett, das vor Kurzem eine menschliche Bedienstete gemacht hatte. Eine Weile schwiegen sie.
    » Tut es eigentlich weh? « , fragte Una schließlich. Den Mut dazu hätte sie längst aufbringen sollen.
    Irene zuckte mit den Schultern und lachte dann. Sie schüttelte den Kopf.
    » Ich habe immer gewusst, dass er mir nicht gehört. Sein Herz ist groß genug, mehr als ein Wesen zu lieben, ohne ein anderes dafür zu vernachlässigen. Die Fürstin hat noch nicht mal was dagegen. Sie hat Verständnis für unsere unbedeutende
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