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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
Autoren: Alison Croggon
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hatte, die in Nal-Ak-Burat durch seinen Körper gebrandet war, die Musik, die der Elidhu ihm eingehaucht hatte. Allerdings glich die Musik, die ihn damals beseelt hatte, nur einem bloßen Schatten des gewaltigen Klangstromes, der ihn nun emporhob und verklärte. Er war eine schillernde Note in einer endlosen Melodie, die aufstieg und ihn über alles hinaustrug, was er je gewesen war oder gekannt hatte. Hem fühlte sich, als wäre er ein Instrument geworden, als würde alles um ihn herum - jeder Steinjeder Grashalm, jeder Stiel und jedes Blatt, die Gesteinsschichten, die sich unter seinen Füßen zum geschmolzenen Herz der Erde hin erstreckten, die Sterne, die am unendlichen Himmel über ihm funkelten - zu dessen eigener, einzigartiger Melodie erweckt, und all diese Melodien verwoben sich durch seinen Körper zu einer unvorstellbaren, sich stetig wandelnden Harmonie, die das lebendige Geflecht der Welt darstellte. Ihm brach das Herz ob ihrer Zerbrechlichkeit, ob der Feinheit, mit der sie sich in die tiefsten Winkel seines Wesens schlängelte, und gleichzeitig vermeinte er, dass ihre grausame und heftige Lieblichkeit ihn töten würde. Er konnte ihre Schönheit nicht ertragen, dennoch wollte er, dass sie nie endete.
    Dann senkte Maerad die Hand und schlug die Saiten der Leier an, und die Welt veränderte sich für immer.
    Als Hem sich bückte und die Stimmgabel in Schwingung versetzte, drang der süße Ton in Maerads Herz, und sie sog jäh die Luft ein. Sie hatte gespürt, wie Sharma seine Macht bündelte, als der Mond sich über den Horizont erhob, und fast beiläufig hatte sie ihren Schild gegen ihn verstärkt, während sie sich vorbereitet hatte, um die Leier zu spielen. Er konnte ihr nichts anhaben.
    Sharma, sagte sie, du kannst nicht obsiegen.
    Seine Antwort bestand aus einem gewaltigen Hieb, der sie ob seiner Gewalt erschreckte. Er durchbrach ihren Schild, wenngleich er dabei einen Großteil seiner Kraft verlor, und traf Hem. Ihr Bruder ließ dadurch fast die Stimmgabel fallen, und eine plötzliche Angst fraß sich in Maerads Herz fest: Hem war auf eine Weise verwundbar, wie sie es nicht war. Dies war der einzige Versuch, den sie hatten, und erstürbe die Note nun, würde sie nie wieder erklingen. Rasch richtete sie den Schild wieder auf und verstärkte ihn. Hem kam wieder auf die Beine und schüttelte den Kopf, aber er hielt die Stimmgabel eisern umklammert; die Melodie schwoll rings um sie an, und Maerad hörte zum ersten Mal die Musik der Elidhu. Doch sie durfte sich nicht von deren ungezügelter Pracht hinforttragen lassen. Standhaft trotzte sie der überwältigenden Woge der Musik, als diese durch sie brandete, und lauschte auf ihren Einsatz. Sie würde wissen, wenn er kam. Maerad hob die Hand, spürte, wie die Leier an ihrer Brust vor Macht erzitterte, dann begann das Lied, sich in ihrem Geist zu formen, ergriff Besitz von ihr, als wäre sie selbst das Lied. Sie neigte das Haupt, schlug den Akkord an, der für die erste der Runen stand, für Ura, den Vollmond, den Apfelbaum, und öffnete den Mund, um zu singen. In jenem Augenblick stand ihre Verteidigung für Angriffe offen.
    Bevor sie das erste Wort singen konnte, brachte Sharma die volle Wucht seiner Macht gegen sie zum Einsatz. Die Worte blieben ihr in der Kehle stecken; sie fühlte sich, als erdrossle sie eine riesige Hand, und ein unerträglicher Druck presste sie zu Boden. Den Bruchteil eines Lidschlags dachte sie daran, wie die Frauen in Gilmans Feste sie beinah im Schlamm ertränkt hatten; sie hörte dasselbe Tosen in den Ohren, fühlte dieselbe nicht zu überwindende Erschlaffung ihrer Glieder. Sie hörte immer noch die Musik der Elidhu, hörte Hem neben ihr brüllen, spürte, wie er sie stützte, doch alles schien aus großer Ferne zu kommen. Maerad kämpfte sich auf die Musik zu, aber sie war außerstande, sich in den Wellen der Schwärze zu bewegen, die sie mittlerweile umspülten und das Leben aus ihr pressten.
    Dann ließ der Druck unerklärlicherweise nach; krampfhaft schluckte sie und lehnte sich benommen an Hem. Die Leier befand sich noch in ihren Händen, die Elidhu-Musik erklang noch immer rings um sie, das Lied wartete noch immer darauf, gespielt zu werden; doch sie fühlte sich schwach, und die Leier war schwer wie ein Stein, sodass Maerad sie kaum zu halten vermochte. Sie schüttelte den Kopf in dem Versuch, sich von der Benommenheit zu befreien, und lauschte verzweifelt auf die Akkorde, die ihr eingegeben werden sollten, aber sie
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