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Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger
Autoren: Kai Meyer
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Hexenjägers Konrad von Asendorf. Mir, dem unwissenden Studenten, fiel es zu, ihn aus der Gefangenschaft zu retten – nachdem ein unbekanntes Mädchen mit verbrannten Gesichtszügen ihn vor dem Scheiterhaufen bewahrt hatte. Und ich erklärte mich bereit, ihm auch weiterhin beizustehen, mit meiner mächtigen Schwerthand, meinem gewitzten Verstand, den Augen eines Falken, der Kraft des Bären und dem Mundwerk eines Bänkelsängers. Viel Überzeugungskraft war nicht nötig, ehe ich mich schließlich herabließ, in seine Dienste zu treten. Erst zögernd, dann wohl begieriger lernte ich von ihm die Geheimnisse der Schwarzen Kunst, um dereinst selbst ein Meister der magischen Macht zu werden.
    (Ich will ehrlich sein, mein staunender Leser: Des Doktors Können hatte seine Grenzen. Vieles wagte er, probierte er aus, machte Versuche – doch längst nicht alles gelang. Endlos ist die Reihe seiner Missgeschicke, von kleinen Fehlern bis hin zu großen Katastrophen. Einmal wuchs mir ein Wolfsfell auf dem Rücken, ganze drei Wochen lang, ehe mein Herr den rechten Gegenzauber fand. Ein anderes Mal fand ich des Abends beim Ausziehen sechs Zehen an meinem rechten Fuß. Glaubt mir, in meiner Wut hätte ich ihn allzu gern spüren lassen, wie sich ein solcher Schreckenstreter im Gesäß anfühlt – doch schon am nächsten Morgen war das Ding verschwunden, weiß der Teufel, wie er ’s gemacht hat.)
    Nach unserer gemeinsamen Flucht aus dem Wittenberger Kerker zogen wir umher, wurden Zeugen, wie der schreckliche Asendorf von rachsüchtigen Gauklern fast zu Tode gefoltert wurde – und wir trafen Angelina.
    Oh, Angelina …
    Im Jahre 1502, als sie noch ein kleines Kind war, wurde sie von den Schergen des Borgia-Papstes Alexander nach Rom verschleppt. Aus den Ländern des Nordens ließ er Jungen und Mädchen entführen, alle blauäugig, alle mit weißblondem Haar. Der Borgia war dem Wahn verfallen, wahre Engel aus ihnen zu machen, Krieger des Herrn, ohne Furcht, perfekt und gnadenlos. Alexander starb schon im Jahr darauf, 1503, hingerafft von den Folgen seiner gottlosen Ausschweifungen, den zahllosen Orgien und Schwarzen Messen in den Hallen des Papstpalasts. Sein Plan aber wurde von seinen Nachfolgern im Geheimen fortgeführt. In tiefen Gewölben bildete man die Kinder zu Kämpfern aus, flink und grausam und ohne Fehl. Sie vergaßen die Sprachen ihrer Heimatländer und erlernten das Lateinische. Man erzog sie in dem Glauben, sie seien echte Engel, herabgesandt von Gott, um seinem Statthalter auf Erden zu Diensten zu sein.
    Angelina war eine von ihnen, eine von sieben, die nach Jahren schließlich ausgesandt wurden, alle Spuren ihrer Herkunft zu verwischen. Sie töteten die Priester, die sie einst den Häschern Alexanders’ zugeführt hatten, und sie brannten ihre Kirchen nieder. Doch dann geschah es, dass Angelina Faustus vor dem Feuer der Inquisition bewahrte und dafür von ihren Brüdern und Schwestern verstoßen wurde. Sie fügten ihr eine tiefe Wunde auf dem Rücken zu, geformt wie eine römische Fünf, und sie ließen sie halb tot am Wegesrand liegen, mit verbranntem Gesicht vom misslungenen Anschlag auf die Kirche zu Wittenberg. Entstellt, verstümmelt und stumm – für immer zum Schweigen gebracht von den Flammen, die ihre Züge verheert hatten.
    So wurde sie gefunden, von Lady Lara und ihren Gauklern, die sie wiederum Faustus und mir anvertrauten. Angelina war das zarteste, geschickteste und tödlichste Geschöpf, dem ich je begegnet bin. Die Narbenwüste ihres Gesichts erschreckte die meisten Menschen, deshalb trug sie in Gesellschaft eine Ledermaske und legte sie nur ab, wenn sie mit mir oder dem Meister alleine war.
    Faustus und ich leisteten den Eid, das Geheimnis um die Engelskrieger des Borgia-Papstes zu lüften. Was bezweckte Alexander mit dieser Heerschar? Und was bewegte seine Nachfolger, nicht davon abzulassen?
    Wir schworen uns, Antworten auf diese Fragen zu finden.
    Wir schworen, Angelinas Rätsel zu lösen.
    Wir gingen nach Rom.

1. Kapitel
    Wie Hammerschläge hieben Hagelkörner auf die Bleidächer des Dogenpalastes und erfüllten unsere Kerkerzelle mit ohrenbetäubendem Lärm. Es war kalt, viel kälter, als wir erwartet hatten, und die groben Decken, die man uns durch die Zellentür zugeworfen hatte, vermochten den Frost kaum abzuhalten.
    Es hagelte, es war eiskalt – und das im späten Frühjahr. Dies war vielleicht das wunderlichste aller Wunder dieser Reise.
    Venedig, dachte ich. Hier also soll es enden.
    Es
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