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Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger
Autoren: Kai Meyer
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Wort halten und Euer Malheur beseitigen werde.«
    »Noch ist nicht offiziell Anklage gegen Euch erhoben worden«, überlegte der Kerkermeister laut. »Ich könnte also behaupten, die Soldaten, die Euch festgenommen haben, hätten sich in Euch getäuscht. Ihr wart gar nicht der, für den sie Euch hielten.«
    Faustus’ Lächeln wurde freundlicher. »So ist es.«
    Der Soldat nickte widerstrebend. »Ich werde Sorge tragen, dass alles so geschieht, wie Ihr es wünscht.«
    »Und Eure Männer?«
    »Werden schweigen, wenn ich es ihnen befehle.«
    »Ihr seid ein guter Mann, Kerkermeister. Eure Untergebenen wissen wohl, was sie an Euch haben.«
    Der Soldat zuckte nur die Achseln. »Tut jetzt, was Ihr tun müsst.«
    »Werdet Ihr mich mit unserem ägyptischen Freund allein lassen?«
    »Was macht das jetzt noch aus?« Der Kerkermeister seufzte und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um. »Ihr solltet besser Erfolg haben, Faustus. Ich versuche stets, ein gerechter Mann zu sein. Aber ich lasse keine Scherze mit mir treiben.«
    »Das ist in niemandes Absicht«, erwiderte Faustus ungerührt.
    Der Soldat nickte, schenkte mir und Angelina einen unsicheren Blick, dann trat er hinaus auf den Korridor und drückte die Tür zu. Wir hörten, wie von außen ein Riegel vorgeschoben wurde.
    »Na, wunderbar«, stöhnte ich. »Vom Regen in die Traufe. Nun haben wir auch noch einen echten Teufelsdiener am Hals.«
    Faustus schenkte mir ein Grinsen. »Das hat dich doch bislang nie gestört.« Er liebte es, Scherze auf Kosten seines üblen Leumunds zu machen.
    Ich verzog pflichtschuldig die Mundwinkel und blickte dann hinab auf den Ägypter. Er hatte sich noch immer nicht gerührt, und der Speichelfluss aus seinem Mund verebbte allmählich.
    »Was gedenkt Ihr mit ihm zu tun?«
    »Ich werde den Geist austreiben.«
    »Ihr glaubt, er ist tatsächlich besessen?«
    Wie als Antwort darauf verstärkte sich schlagartig der Trommelwirbel des Hagels auf den Bleidächern. Ich hatte mich schon so an den Lärm gewöhnt, dass ich ihn zuletzt kaum noch wahrgenommen hatte – jetzt aber zog er erneut meine Aufmerksamkeit auf sich, und ich fragte mich, ob ein Zusammenhang bestand zwischen dem frostigen Wetter und dem Besessenen vor uns am Boden. Mein Meister jedenfalls schien davon überzeugt zu sein.
    »Natürlich ist er besessen«, sagte Faustus und schaute mich an, als hätte ich etwas sehr Dummes gesagt.
    »Ich dachte nur … na ja, das, was Ihr zu dem Priester gesagt habt … Er könnte Schmerzen haben, vielleicht krank sein.«
    Faustus schüttelte den Kopf. »Kannst du es denn nicht riechen?«
    Ich schnüffelte halbherzig ins Leere, sah dann fragend Angelina an. Sie schüttelte nur den Kopf.
    Mein Meister seufzte. »Manchmal denke ich, es ist hoffnungslos.« Er drehte sich einmal auf der Stelle um sich selbst, alle Sinne gespannt, horchend, fühlend, riechend. »Diese Spannung in der Luft! Dieses Zucken in den Haarspitzen! Und der Geruch von etwas ganz und gar Fremdem!«
    Es roch schlecht in den Bleikammern, damit hatte er Recht, aber das hatte ich bislang auf die Tatsache geschoben, dass dies ein Kerker war, in dem Menschen Tag und Nacht ihre Todesangst ausschwitzten, ihre Bedürfnisse in offene Krüge verrichteten und auf der Folterbank ihr Blut vergossen. Ja, es stank in der Tat ganz gotterbärmlich an diesem vermaledeiten Ort. Wieso also hätte dies ein Anzeichen für eine übernatürliche Präsenz sein sollen?
    Faustus ging neben dem Ägypter auf die Knie, legte wieder die Hände auf seine Brust.
    »Braucht Ihr unsere Hilfe, Meister?«, fragte ich beflissen, wenn auch nicht allzu begierig auf die Antwort.
    »Ich denke nicht, dass das nötig sein wird«, entgegnete Faustus zu meiner Erleichterung.
    Angelina trat zurück, rutschte mit dem Rücken an der Wand hinunter und blieb mit angezogenen Beinen sitzen, starrte steif zu den beiden Männern hinüber und ließ sich keine Bewegung, keine geflüsterte Silbe entgehen.
    Aus dem Mund des Ägypters drang jetzt ein eigentümlicher Gesang, verblüffenderweise nicht auf Ägyptisch, nicht auf Latein, sondern in unserer eigenen Sprache, so als wollte der Geist in seinem Inneren sichergehen, dass wir ihn verstanden.
    Nicht allein Faustus, sondern jeder von uns!
     
    »O Lúl, willkommen, o Lúl,
    Geschmeide brachten sie mir
    Und Geschenke, die dir gebühren,
    Ein Perlenhalsband,
    Ringe brachten sie mir,
    Ein Amulett brachten sie mir,
    Kerzen brachten sie mir,
    Einen Tisch brachten sie mir.
    Willkommen, o
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