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Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger
Autoren: Kai Meyer
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Hilfe.«
    »Eure … Hilfe?«
    »Zumindest behauptet das der Wachmann. Offenbar gibt es hier einen Besessenen, und kein Mensch ist da, der mit ihm fertig wird. Den Palastpfaffen hat er niedergeschlagen.«
    »Und nun sollt Ihr Euch damit abgeben?«
    Faustus hob erneut den Finger, horchte wieder auf den Hagel und lächelte. »Wie ich schon sagte: Etwas geschieht. Vielleicht können wir einen Handel vereinbaren.«
    Wir verließen die Zelle und folgten dem Wächter den Gang hinunter. Zwei weitere Wachmänner schlossen sich uns an, blieben mit wenigen Schritten Abstand hinter uns. Aus den Türluken der Nachbarzellen starrten verhärmte Gesichter, Nobili, venezianische Adelige, die vorzugsweise hier oben eingesperrt wurden. Wir durften uns beinahe glücklich schätzen, ausgerechnet hier gelandet zu sein. Die Bleikammern waren das Gefängnis der Hochgestellten, während arme Schlucker in den unteren Verliesen des Palastes verschwanden. Was die Venezianer freilich bewogen hatte, uns drei an diesem Ort einzukerkern, war mir ein Rätsel. Wir besaßen kein Geld und keine Titel, und die Anklage war unmissverständlich: Paktieren mit dem Teufel, Ausübung von schwarzer Magie und – zumindest das war ein Irrtum – Unzucht mit Geißböcken. Man muss sich in der Tat einiges sagen lassen als Zauberlehrling.
    Der Wachmann führte uns um eine Ecke, wo auf der rechten Seite eine der Zellen offen stand. Aus ihr ertönte das jämmerliche Kreischen und Zetern.
    Gerade wollten wir die Kammer betreten, als uns eine Gestalt in Schwarz entgegentaumelte, gegen Faustus rempelte und mit dem Rücken gegen die andere Seite der Korridorwand prallte. Dort sackte der Mann zu Boden. In seine aufgerissenen Augen lief Blut aus einer Platzwunde auf seiner Stirn. Sein Haar war wirr und zerzaust, seine Stimme heiser, als er immer wieder lateinische Bruchstücke des Vaterunsers aufsagte und dabei ein Kreuzzeichen nach dem anderen schlug.
    Ich warf einen Blick durch die offene Zellentür und sah einen Pulk von vier Soldaten, die sich um ein schreiendes Menschenbündel am Boden scharten und uns den Rücken zuwandten. Von dem Besessenen war nicht mehr zu erkennen als der Stoff eines langen Gewandes, während er wild mit Armen und Beinen um sich schlug und von den Wachmännern mit langen Stöcken in Schach gehalten wurde.
    Faustus sprach den Priester in unserer Sprache an, wohl, wie ich dankbar erkannte, damit auch ich verstand, was gesagt wurde.
    »Wer ist der Mann?«
    Der Pfaffe fuhr fort in seinem keuchenden Gebet, atemlos und verstört. Er gab keine Antwort.
    Faustus beugte sich vor und packte den Geistlichen am Oberarm. »Wer – ist – der – Mann?«, wiederholte er, indem er jedes Wort betonte.
    Die Augenlider des Priesters flackerten, dann klärte sich sein wirrer Blick ein wenig, und er schien Faustus erstmals deutlich wahrzunehmen. Zu unserem Glück erkannte er ihn nicht, sonst hätte er gewiss gleich weitere Kreuzzeichen geschlagen.
    »Ein ägyptischer Gesandter«, brachte er stoßweise hervor. »Man hat ihn vor einigen Tagen der Spitzelei überführt.«
    »Ein Ägypter?«, knurrte Faustus. »Das ist interessant.«
    »Er ist des Teufels!«, entfuhr es dem Pfaffen.
    »Was bringt Euch zu diesem Schluss?«
    Der Priester starrte meinen Meister an, als hätte dieser etwas ganz und gar Verrücktes gesagt. »Was mich zu …? Mit Verlaub, seid Ihr denn taub?«
    »Ihr glaubt, er sei vom Teufel besessen, nur weil er schreit? Vielleicht hat er Schmerzen.«
    »Der Teufel verursacht jedem Schmerzen, der mit ihm im Bunde ist.«
    »So?« Die Mundwinkel des Meisters zuckten amüsiert. »Nun, Ihr seid Priester, Ihr solltet es wissen, nicht wahr?«
    »Wollt Ihr mich verhöhnen? Wer seid Ihr überhaupt?«
    »Doktor Johannes Faustus.«
    Der Pfaffe stieß einen spitzen Laut aus, stieß Faustus von sich und stolperte den Gang hinunter. Er rief eine Kette von Flüchen in seiner Heimatsprache, dann war er hinter der nächsten Ecke verschwunden. Auch in der Ferne hörten wir sein aufgebrachtes Brüllen und Zetern, eine höchst unorthodoxe Mischung aus Gebeten und Verwünschungen.
    »Ihr habt wie immer eine erstaunliche Wirkung auf den Klerus«, bemerkte ich.
    Faustus wandte sich mit einem Seufzen zur Zelle um, wo sich jetzt einer der Soldaten aus dem Pulk gelöst hatte und auf uns zukam. Auch er sprach unsere Sprache, was mich angesichts seiner ungeschlachten Züge erstaunte.
    »Ich bin der Kerkermeister«, sagte er. »Ihr seid Faustus?« Es war eine überflüssige Frage,
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