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Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger
Autoren: Kai Meyer
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doch trotz all seiner Größe und Muskelkraft verunsicherte ihn die Anwesenheit meines Meisters mehr als er zugegeben hätte. Er war nur ein Soldat, augenscheinlich mit einer gewissen Bildung, aber das Gesicht des Okkulten und vermeintlich Teuflischen machte ihm Angst, zumal hier, in seinem Allerheiligsten, den Bleikammern des Dogen.
    »Ich bin Faustus«, bestätigte mein Meister. »Seit wann gebärdet der Mann sich so?«
    Einen Augenblick lang schien der Kerkermeister unsicher, ob Faustus mit dieser Frage den Besessenen oder den verstörten Pfaffen meinte. Dann aber sagte er: »Erst seit kurzer Zeit. Er ist vor drei Tagen festgenommen worden, nur wenig später als Ihr selbst. Bis vorhin benahm er sich wie jeder andere Gefangene auch. Dann aber begann er zu brüllen, erst auf Ägyptisch, wie mir schien, dann auf Lateinisch und schließlich in einem seltsamen Kauderwelsch. Vielleicht könnt Ihr es verstehen.«
    Faustus hob eine Augenbraue. »Ihr denkt, es ist die Sprache des Teufels – und da glaubt Ihr, ich könnte sie verstehen?«
    Der Kerkermeister war im Grunde seines Herzens wohl kein schlechter Kerl, denn der Vorwurf meines Meisters traf ihn sichtlich. »Ich habe Euch nicht festnehmen lassen, Magister Faustus. Ich hörte nur, was man Euch vorwirft – und ich kenne die Geschichten, die man sich erzählt. Verzeiht also, falls ich Euch beleidigt habe.«
    »Ihr seid sehr umgänglich für einen Kerkermeister.«
    Der Mann wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Hört, ich bin kein weiser Mann, wie Ihr es wohl sein mögt. Ich bin nur ein einfacher Soldat, und es gefällt mir nicht, was in dieser Zelle vor sich geht. Wenn Ihr etwas dagegen unternehmen könnt, schulde ich Euch Dank, ganz gleich, wie die Anklage gegen Euch lautet.«
    »Das ist sehr anständig von Euch.«
    » Könnt Ihr uns helfen?«
    Faustus hob die Schultern. »Ich will sehen, was ich tun kann.« Damit trat er an dem Kerkermeister vorbei und ging auf die Soldaten zu, die fluchend und springend den Schlägen des Besessenen auswichen und dabei immer wieder die Holzstäbe in seine Richtung stießen.
    Angelina ging ohne zu zögern hinterher, dann folgte auch ich.
    »Warum töten die ihn nicht einfach?«, fragte ich in Faustus’ Richtung.
    Es war der Kerkermeister, der mir die Antwort gab:
    »Der Mann ist ein Spion. Wir müssen herausfinden, was er weiß, was er schon an seine Leute weitergegeben hat und ob er die Namen anderer Spione kennt. Er sollte morgen früh dem hochnotpeinlichen Verhör unterzogen werden – so lange das nicht geschehen ist, dürfen wir ihn nicht töten.«
    Ich schluckte und tat verständnisvoll.
    Den drei Soldaten gelang es, den schreienden Mann an Armen und Beinen zu packen und ihn flach auf die Holzbohlen zu pressen. Sein Oberkörper zuckte und warf sich umher wie ein ungestümes Ross. Trotzdem hielten die Männer ihn fest.
    Der Mann hatte dunkle Haut und pechschwarzes Haar. Er trug ein weißes Gewand, das vom Aufenthalt in den Bleikammern grau und fleckig geworden war; es sah aus, als hätte er sich erst kürzlich über sich selbst erbrochen. Seine Augäpfel waren nach oben verdreht, sein Blick ein irrer Glanz aus rotgeädertem Weiß. Schaum perlte von seinen Lippen über die Wangen.
    Ich sah, dass Faustus die Stirn in Falten legte. Irgendetwas machte ihn stutzig. Nicht etwa der Zustand des Mannes – dergleichen hatte mein Meister mehr als einmal gesehen. Ich vermutete vielmehr, dass es seine Herkunft war. Faustus hatte einige Zeit in Ägypten zugebracht, ein rätselhafter Teil seines Lebens, über den er niemals sprach. In seinem Besitz befand sich seither ein hölzerner Stab, geschnitzt in Form eines menschlichen Körpers, auf dessen Schultern der Kopf eines Schakals ruhte. Auch der schwarze Hund des Meisters, Mephisto, ein unheimliches Geschöpf, ähnelte einem Schakal mit glühend roten Augen; er folgte uns stets in weitem Abstand, kam niemals zu uns heran. Faustus sprach von ihm wie von einem alten Kampfgefährten. Zudem hatten Angelina und ich in Erfahrung gebracht, dass der geheimnisvolle Traumvater, bei dem mein Meister einst in die Lehre gegangen war, einen Pakt mit dem schakalköpfigen Totengott der Ägypter geschlossen hatte, mit Anubis, der dem Traumvater ewiges Leben gewährt hatte. Auch er wurde seither von einem schwarzen Hund begleitet.
    Schon lange quälte mich die Frage, ob mein Meister einen Handel mit dem Gott des Totenreichs eingegangen war. So vieles wies darauf hin, so vieles sprach für seine Schuld.
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