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Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
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IBANETA-PASS

    Die Nacht verwandelte den Wald in ein schwarzes Meer und die Bergkämme in die Rücken von Ungeheuern, die im zuckenden Licht in den Wolken zu atmen schienen.
    Arima lockerte ihr Kopftuch, dann nahm sie es ab. Die Luft war selbst hier oben, auf dem letzten Plateau vor der Passhöhe, stickig, der Wind unzeitig warm. Sie spürte, wie ihr der Schweiß im Nacken stand. Sie und ihr Begleiter waren geritten, so schnell sie konnten. Das Kloster von Roncesvalles, das sich an den steilen Hang unterhalb des Ibaneta-Passes duckte, lag hinter ihnen. Weit vor und unter ihnen, dort, wo der südliche Eingang des Passes lag, tobte ein Herbstgewitter. Über die endlos sich hinziehenden bewaldeten Bergrücken hinweg leuchteten die Wolken im Schein der Blitze.
    Wenn das Unwetter hierherzog, würde es die Passstraße in einer Sintflut von eisigem Wasser ertränken. Herbstgewitter waren die schlimmsten im Pirenéus-Gebirge. Dem Pass, der das Bergmassiv im äußersten Nordwesten überquerte, brachten sie zuerst drückende Luft, dann Regen, Schnee, Hagel und danach tagelangen Nebel. Selbst Arima, die hier aufgewachsen war und ihre Heimat innig liebte, fühlte sich dann klein und nur geduldet.
    Manchmal verschonten die Gewitter den Pass. Hoffentlich würde ihn auch das Schicksal verschonen – davor, zum Schauplatz einer Tragödie zu werden, über die man in Hunderten von Jahren noch mit Schaudern sprechen würde. Grund zur Zuversicht gab es aber nur, wenn es Arima gelänge, ihre selbst auferlegte Mission zu erfüllen.
    Sie dachte an die Männer, die dem Wüten so gut wie schutzlos ausgeliefert sein würden – auf der einen Seite die Franken, auf der anderen Seite die Mauren, das gleiche Elend hüben wie drüben. Morgen würden sie wieder aufeinander losgehen. Es konnte kein Zweifel bestehen, wie der Kampf ausgehen würde. Die Franken würden untergehen, und mit ihnen ihr Anführer, Roland de Maine, der größte Held des fränkischen Heers – Arimas zukünftiger Ehemann.
    Arima Garcez, Tochter von Comes Sanche Loup Garcez, Herrin über Burg Roncevaux auf der Passhöhe, hatte eine einzige Chance, die Vernichtung des fränkischen Heers zu verhindern.
    Sie wandte sich im Sattel zu ihrem Begleiter um, der etliche Pferdelängen hinter ihr herankam. Es juckte sie, ihr Pferd wieder anzutreiben, doch sie wusste, dass es eine Pause brauchte. »Du fällst zurück, mein Freund«, sagte sie atemlos.
    »Ich falle nicht zurück, Dúnaelf, ich habe nur ein Pferd, das noch älter sein muss als ich und das Angst vor Gewittern hat.« Er sprach makelloses Fränkisch, allerdings mit einem rollenden angelsächsischen Akzent.
    »Dann sollte es sich beeilen, ins Trockene zu kommen«, sagte Arima, die wusste, dass mitnichten das Pferd, sondern der Reiter sich vor Gewittern fürchtete, und die die Anrede, die er für sie verwendete, wenn er sich Sorgen um sie machte – Dúnaelf, Bergfee – als Kompliment empfand.
    »Es wird erst froh sein, wenn es ein richtiges Dach über dem Kopf hat.«
    »Je eher wir das Heerlager erreichen, desto größer ist die Chance, nachher wieder trocken zur Burg zu gelangen.«
    »Haha.« Arimas Begleiter hob den Kopf und schaute ihr ins Gesicht. »Als ob du nach Roncevaux zurückkehren würdest, wenn du erst mal im Zelt des Heerführers bist.«
    »Das ist eine respektlose Bemerkung!«
    »Respektlosigkeit gegenüber der Jugend ist das Vorrecht des Alters.«
    Arima schwieg eine Weile. »Ist es immer noch so offensichtlich?«, fragte sie dann.
    »Was? Die Sprache deines Herzens? Das Licht in deinen Augen, wenn von ihm die Rede ist? Der Sonnenschein an einem schönen Tag ist nicht so offensichtlich.«
    »Ich wundere mich, dass du mir keine Vorhaltungen machst.«
    »Weshalb sollte ich das tun?«
    »Weil du sonst zu allem und jedem deine Meinung kundtust, Freund Ealhwine.«
    »Augenblick mal. Da verwechselst du mich. Der vermaledeite Bischof ist es, der immer zu allem was zu sagen hat.«
    »Das sagte Bischof Turpin auch von dir.«
    »Hm«, machte Arimas Begleiter.
    Der Spott war mit der Erwähnung Bischof Turpins aus seinen Zügen gewichen. Sein blasses, bärtiges Gesicht verschloss sich. Arima erkannte die Sorge darin, aber sie wusste keinen Trost. Ihre eigene Sorge war noch tausendmal größer. Sie wandte sich wieder um.
    »Wir sind da«, sagte sie bald darauf.
    Auf dem schmalen Pfad standen plötzlich drei schweigende Gestalten. Arima sah Helme in der Düsternis blinken, das Schimmern von Panzerhemden und das Glitzern
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