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talon018

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Titel: talon018
Autoren: Gesprengte Ketten
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Talon Nummer 18

    „Gesprengte Ketten“

    von
    Thomas Knip

    „Das darf doch nicht wahr sein“, entfuhr es Al-Hamidi. Ungläubig starrte er auf die meterhoch empor züngelnden Flammen, die aus dem Wrack des Jeeps schlugen. Das Feuer fand in dem trockenen Unterholz reiche Nahrung, und so war der Wagen nur noch schemenhaft hinter der vor Hitze flirrenden Luft zu erkennen.
    Sein arabischer Fahrer brachte den Geländewagen in einem sicheren Abstand zum Stehen und fluchte ausgiebig. Er öffnete die Wagentür und hatte bereits einen Fuß auf das Trittbrett gesetzt, als ihn der beleibte Kuwaiti an der Schulter zurückhielt.
    „Moment, was wollen Sie da machen?“, fragte er den Fahrer irritiert. „Dieser Weiße hat bereits zwei unserer Fahrzeuge zerstört, und Sie glauben doch nicht, dass einer der Männer lebend davongekommen ist?“
    Der dürre Mann sah den Kuwaiti aus zusammen gekniffenen Augen finster an und schüttelte dessen Hand ab.
    „Das ist der Grund, warum wir jetzt da rausgehen und nachsehen werden. Dieser Kerl hat vier unserer Freunde auf dem Gewissen. So einfach lassen wir ihn nicht mehr davonkommen!“ Er warf seinem dunkelhäutigen Beifahrer einen Blick zu. Mit einem stummen Nicken öffnete der Sudanese auch seine Tür und griff gleichzeitig nach seiner Schrotflinte, die zwischen seinen Beinen ruhte. Er überprüfte kurz die Kammern des doppelläufigen Gewehrs und schwang sich dann aus der Fahrerkabine.
    „Verdammt noch mal, kommen Sie sofort zurück!“, fuhr Kamal al-Hamidi die beiden Männer an, die sich im Schutz der geöffneten Türen einen Überblick verschafften. Nervös sah er sich um und versuchte, durch die dreckverschmierten Scheiben einen Hinweis auf ihre Beute zu erhalten. Beute … die Jagd verlief absolut nicht so, wie es sich Al-Hamidi vorgestellt hatte. Er hatte bereits früher Jagd auf Menschen gemacht; unwillige Untergebene, die es gewagt hatten, sich ihm zu widersetzen, oder auch Straßenkinder, die niemand vermisste. Doch sie alle hatten sich verhalten wie aufgeschreckte Tiere, die in ihrer Panik prompt das Falsche machten und somit ein leichtes Ziel boten. Dieser Mann jedoch war anders. Er wehrte sich. Er benahm sich, als sei er in diesem Gelände zuhause und warte nur darauf, dass sie ihm in die Falle gingen.
    Der Kuwaiti kaute auf seiner Unterlippe. Seine Hände verkrampften sich in das abgewetzte Polster der Rückenlehne des Fahrersitzes. „Sie kommen sofort zurück!“, schrie er nach draußen. „Die Jagd ist abgeblasen. Wir fahren zu Ibn Said. Soll er sich um diesen tollwütigen Weißen kümmern! Verdammt, hören Sie nicht?“
    Der arabische Fahrer hatte inzwischen ein Jagdgewehr aus dem Gepäck gezogen, das auf dem Dach verstaut war und steckte seinen Oberkörper in die Fahrerkabine. Er sah seinen Schützling nur kühl an und deutete mit dem Finger auf ihn.
    „Sie bleiben hier. Informieren Sie Sayyid Ibn Said, wenn Sie wollen. Verschließen Sie die Türen, wenn Sie wollen. Aber hören Sie auf, so viel Lärm zu machen“, herrschte ihn der Mann mit der leicht gebogenen Nase an. Er sah kurz auf das Lenkrad und zog den Zündschlüssel aus seiner Halterung.
    „Nicht, dass Sie ohne uns abfahren.“
    Der Kuwaiti schnappte laut nach Luft und sah dem Mann mit offenem Mund nach, wie er mit seinem dunkelhäutigen Kollegen in geduckter Haltung den Schutz des hohen Grases ausnutzte, während sich beide Männer dem noch immer brennenden Wrack näherten. Seine wulstigen Finger griffen nach dem altertümlichen mobilen Finkgerät, das auf dem Sitz des Beifahrers lag.
    Er hatte keine Ahnung, wie das Gerät wirklich funktionierte und versuchte sich daran zu erinnern, welche Schalter und Knöpfe der Sudanese bedient hatte. Doch so sehr er sich auch bemühte, mehr als ein statisches Rauschen ließ sich dem kleinen Mikrofon nicht entlocken. Unentwegt brüllte Al-Hamidi in die Sprechmuschel und verlangte eine Antwort.
    Währenddessen verfolgte er, wie sich die beiden Männer inzwischen trennten und das Autowrack an verschiedenen Seiten umgingen. Die Flammen hatten bereits eine breite Schneise in das trockene Gras getrieben und fraßen sich unaufhörlich vorwärts. Dunkle Rauchfetzen verhüllten wie ein löchriger Vorhang den Blick auf den blassblauen Himmel des frühen Vormittags.
    Frustriert warf der Kuwaiti schließlich das Mikrofon von sich und ließ sich in seinen Sitz sinken. Nur mühsam unterdrückte er den Wunsch, seinen Tränen freien Lauf zu lassen. Diese Blöße wollte er sich
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