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Infinity (German Edition)

Infinity (German Edition)

Titel: Infinity (German Edition)
Autoren: Gabriele Gfrerer
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Prolog

    »Hi, Methi! Wie geht’s?«
    Mein Zeigefinger pflügt durch sein flauschiges Fell. Die feinen Härchen flimmern vor meinen Augen.
    »Brauchst nicht erschrecken.« Meine Lippen werden warm und ein bisschen feucht. Von meinem eigenen Atem, der sich in seinem Pelz verfängt. »Bist ja mein Schönster!«
    Wie auf einer Achterbahn geht der Finger auf und nieder. Das winzige Rückgrat ist so zart und zerbrechlich. Da darf man nicht zu fest drücken. Vorsichtig, vorsichtig! Seine Wirbel entlang. Bis zum haarigen Schwanz. Ich weiß immer gleich, wie mein Schatz drauf ist. Sein Schwanz verrät es mir. Wenn er sich aufregt, wirft er ihn hin und her. Wie eine Peitsche. Heute kann ich ihn mir bis oben hin um den Finger wickeln, ohne dass er ihn wegzieht. Er ist so schön buschig und lang – wie von einem zu klein geratenen Fuchs. Manchmal klemme ich ihn mir zwischen Nase und Oberlippe – als hätte ich einen Schnurrbart. Das kitzelt. Ich muss immer lachen, wenn sich mein Gesicht in der blanken Seitenfläche der Zentrifuge spiegelt.
    »Weißt du was? Mit dir kann man richtig viel Spaß haben.«
    Ob er mich versteht? In seinen schwarzen Knopfaugen bricht sich der kahle, weiße Raum. Ohne Pause drehen sich die großen Ohren, vibriert die winzige rosa Schnauze. Die beinahe durchsichtigen Tasthaare zittern, als wäre ihm kalt. Dabei kann das gar nicht sein. Wir haben hier immer gut eingeheizt.
    Heute ist ein besonderer Tag. Ob er etwas ahnt?
    »Bist du schon aufgeregt?« Sein Puls trommelt gegen meine Wange. Diese warme Stelle hinter dem Ohr hab ich am liebsten. Sie riecht nach Milch und frischem Stroh. »Ich auch, mein kleiner Methi, ich auch.«
    Methusalem. Den Namen hab ich ausgesucht. Ich finde, der passt richtig gut. Obwohl er noch ein Baby ist. Aber wenn alles klappt …
    »Na, Luk, alles klar?«
    Ich habe Papa nicht kommen gehört. Immer ist er plötzlich da. Als wollte er sich anschleichen. Oder mich überwachen. Mir wird heiß. Bestimmt bin ich jetzt wieder ganz rot im Gesicht. Wie ich das hasse! Dabei hab ich gar nichts Verbotenes getan. Mach ich doch nie. Trotzdem. Den blöden Reflex krieg ich einfach nicht unter Kontrolle.
    Papas Gesicht ist ernst wie immer. Aber seine Augen lächeln mich an. Das kribbelt im Bauch. Schön.
    »Klar, Papa! Kannst dich auf mich verlassen!«
    Vorsichtig hebe ich Methusalem auf meine Handfläche. Ich weiß, wie ich ihn halten muss. Wie ich die Hautfalte am Hals hochziehen muss, damit Papa die Nadel richtig setzen kann. Dort, wo man jetzt den Herzschlag gut sieht. Wo ich meine Nase so gerne hineinstecke.
    Methusalem zuckt nur ein bisschen, als die Nadel seine Haut durchsticht. Ich glaube, das liegt daran, weil er mir vertraut. Wenn ich ihm fest in die Augen schaue, während Papa seine Arbeit macht, hält er ganz still.
    Ich habe eine besondere Gabe für Tiere, sagt Papa. Ich drück die Lippen zusammen, damit er nicht merkt, dass ich stolz darauf bin. Man darf erst stolz sein, wenn man sein Ziel erreicht hat. Ich arbeite dran. Jeden Tag. Ich versuche, mir alles zu merken, was Papa mir erklärt. Beobachte ihn genau. Wie er das Blut in das Glasröhrchen tropfen lässt. Es mit einer Flüssigkeit vermischt und das Gefäß in die Zentrifuge steckt. Jeden Handgriff, jedes Wort speichere ich in meinem Hirn.
    »Das ist … sensationell … Luk, komm her! Schau dir das an!«
    Papa gibt der Klemmleuchte neben dem flimmernden Bildschirm einen Schubs mit dem Ellenbogen. Er hat diesen besonderen Blick. Den Wir-haben’s-geschafft-Blick. Er schnappt sich Methusalem aus meiner Hand und drückt ihm einen Kuss zwischen die Ohren. Das hat er noch nie gemacht. Und er lacht. Zum ersten Mal, seit wir mit der Arbeit angefangen haben. Vielleicht überhaupt zum ersten Mal, seit Mama … seit … seit … ich mich erinnern kann …
    »Siehst du? Der RNA-Primer ist vollständig erhalten!« Sein Finger wandert über den Monitor.
    »Was bedeutet das?«
    Papas Lachen rutscht ihm aus dem Gesicht. Shit. Ich hätte nicht fragen sollen.
    »Tut mir leid. Ich hab nicht gut genug aufgepasst …«
    Seine Hand fällt auf meine Schulter. Ich mache den Rücken steif, damit er nicht merkt, dass ich schwanke.
    »Lass, Lukas. Du bist nicht schuld. Ich hätte schneller sein müssen, dann wäre Mama nicht … acht Jahre … acht verdammte Jahre zu spät …«
    Die neongrünen Striche auf dem Monitor verschwimmen vor meinen Augen. Mama … Wo bist du? Ich finde dich nicht. Wenn ich die Nase in Methusalems Fell stecke, kann Papa
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