Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Meerhexe

Die Meerhexe

Titel: Die Meerhexe
Autoren: Alistair MacLean
Vom Netzwerk:
zum Wohle der Menschheit war moralisch viel besser zu rechtfertigen, als ein Vorgehen im ausschließlich eigenen Interesse. Patinos, der Mann aus Venezuela, betrachtete Benson mit einem leicht zynischen Lächeln. Aber dieses Lächeln besagte nichts – Patinos war ein gläubiger Katholik, und er hatte diesen Gesichtsausdruck auch, wenn er die Kirche betrat, um der Messe beizuwohnen.
    »Sie scheinen sich Ihrer Sache sehr sicher zu sein, Mr. Benson.«
    »Ich habe auch lange genug darüber nachgedacht.«
    Borosoff fragte: »Und wie sollen wir Ihrer Meinung nach diesen Verrückten aufhalten, Mr. Benson?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Sie wissen es nicht?« Einer der anderen um den Tisch Versammelten hob die Augenbrauen etwa einen Millimeter, was bei ihm tiefste Mißbilligung ausdrückte. »Weshalb haben Sie uns dann alle von so weit herkommen lassen?«
    »Ich habe Sie nicht kommen lassen – ich habe Sie eingeladen. Damit Sie alle dem zustimmen könnten, was wir ins Auge fassen wollen.«
    »Und was fassen wir ins Auge?«
    »Ich sagte schon, ich weiß es nicht.«
    Die Augenbrauen sanken wieder herab. Ein Zucken der Mundwinkel deutete an, daß der Mann lächelte.
    »Und was ist mit dieser dritten Partei? Hat sie einen Namen?«
    »Cronkite. John Cronkite.«
    Schweigen senkte sich über die Runde. Die offenen Proteste wichen einem nachdenklichen Zögern, das sich allmählich in Zustimmung verwandelte. Außer Benson hatte keiner der Männer Cronkite jemals gesehen, aber sein Name war ihnen allen bekannt. In Kreisen der Ölindustrie war er schon zu Lebzeiten Legende geworden, allerdings keine sehr positive. Sie wußten alle, daß sie jederzeit in die Verlegenheit kommen konnten, seine Dienste in Anspruch nehmen zu müssen, aber sie hofften, daß dieser Tag niemals käme.
    Wenn es darum ging, brennende Ölquellen zu löschen, war er unübertroffen. Wo immer auf der Welt eine Ölquelle zu brennen anfing, dachte keiner daran, die Sache selbst anzugehen – man holte Cronkite. Wer ihm zusah, zuckte angesichts seiner drakonischen Arbeitsmethoden unwillkürlich zusammen, aber Cronkite duldete keine Einmischung. Trotz seiner horrenden Honorarforderungen war es durchaus nicht unüblich, daß man ihm einen viermotorigen Jet zur Verfügung stellte, der ihn an den Ort des Geschehens brachte. Cronkite löschte jedes Ölfeuer. Er wußte auch alles, was es im Ölgeschäft zu wissen gab. Und er war ausgesprochen hart und rücksichtslos.
    Henderson, der die Ölinteressen in Honduras vertrat, fragte: »Warum sollte ein Mann mit so außergewöhnlichen Fähigkeiten, die absolute Nummer eins auf diesem Gebiet, sich für ein solches Unternehmen interessieren? Seinem Ruf nach ist er wohl kaum ein Mann, dem das Wohl der Menschheit am Herzen liegt.«
    »Da haben Sie recht. Der Grund ist ganz einfach: Geld! Und außerdem ist diese Sache eine Herausforderung für ihn – der Mann ist der geborene Abenteurer. Der wahre Grund aber ist der, daß er Lord Worth haßt wie die Pest.«
    »Das scheint einer ganzen Menge Leuten so zu gehen. Warum haßt er ihn?«
    »Lord Worth hat ihn einmal mit seiner eigenen Boeing holen lassen, um einen Ölbrand im Mittleren Osten zu löschen. Als Cronkite dort ankam, hatten die Männer des Lords den Brand bereits gelöscht. Das allein betrachtete Cronkite schon als tödliche Beleidigung. Und dann beging er den Fehler, sein volles Honorar zu fordern. Lord Worth ist berühmt für seinen schottischen Geiz. Er weigerte sich und sagte, er würde Cronkite nur für seinen Zeitaufwand entschädigen, worauf Cronkite ihn vor Gericht brachte. Aber gegen die Anwälte, die Lord Worth sich leisten kann, hatte er nicht die geringste Chance. Er verlor nicht nur den Prozeß, er mußte auch noch die Gerichtskosten berappen.«
    »Die sicherlich nicht gering waren«, meinte Henderson.
    »Mittel bis horrend. Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, daß es seither in Cronkite brodelt.«
    »Ein Mann kann hundert verschiedene Eide leisten und sie alle brechen. Aber seine ungeheuren Honorarforderungen, seine Einstellung zu Lord Worth sowie die Tatsache, daß er vielleicht die Grenzen des Gesetzes übertreten muß, sind die Garantie für sein Schweigen.«
    Jetzt zog ein anderer Mann am Tisch die Augenbrauen hoch. »Die Grenzen des Gesetzes übertreten? Wir können es nicht riskieren …«
    »Ich sagte ›vielleicht‹. Und der Begriff Risiko existiert für uns nicht.«
    »Können wir uns den Mann einmal ansehen?«
    Benson nickte, stand auf, ging zur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher