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Die Meerhexe

Die Meerhexe

Titel: Die Meerhexe
Autoren: Alistair MacLean
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Tür und ließ Cronkite herein. Cronkite war Texaner. In Größe, Statur und Gesichtszügen hatte er große Ähnlichkeit mit John Wayne, aber im Gegensatz zu Wayne lächelte er niemals. Seine Gesichtsfarbe war merkwürdig gelb – typisch für Menschen, die zu viele Tabletten gegen Malaria genommen haben, denn Mepacrine verleiht nicht gerade einen rosigen Pfirsichteint, aber den hatte Cronkite auch vorher nicht gehabt. Jetzt kam er gerade aus Indonesien zurück, wo er wieder einmal einen Auftrag zur Zufriedenheit der Auftraggeber erledigt hatte.
    »Mr. Cronkite«, sagte Benson, »Mr. Cronkite, dies ist …«
    »Ich will die Namen gar nicht wissen«, unterbrach Cronkite ihn unfreundlich.
    Trotz seiner brüsken Ablehnung erschien auf den Gesichtern einiger Ölmanager am Tisch ein Leuchten. Hier hatten sie einen Mann von äußerster Diskretion vor sich, einen Mann so recht nach ihrem Herzen.
    Cronkite fuhr fort: »Wenn ich Mr. Benson richtig verstanden habe, soll ich mich um eine Angelegenheit kümmern, die Lord Worth und die Meerhexe betrifft. Mr. Benson hat mich ziemlich umfassend informiert. Ich kenne die Geschichte. Zuallererst würde ich gern Ihre Vorschläge hören, falls Sie welche zu machen haben.« Cronkite setzte sich, zündete sich eine – wie sich gleich darauf herausstellte – bestialisch stinkende Zigarre an und sah die Herren am Tisch erwartungsvoll an.
    Während der anschließenden halbstündigen Diskussion hüllte er sich völlig in Schweigen. Wenn man bedachte, daß hier zehn Spitzenmanager zusammensaßen, so konnte man nur staunen, was für ein außerordentlich unfähiger Haufen sie waren.
    Ihr Gespräch bewegte sich in immer enger werdenden konzentrischen Kreisen.
    Henderson meldete sich zu Wort: »Zuerst müssen wir uns darauf einigen, daß keine Gewalt angewendet werden darf. Sind wir darin einer Meinung?«
    Alle nickten zustimmend. Jeder dieser Männer war eine Säule der Rechtschaffenheit, und keiner von ihnen konnte es sich leisten, seinen Ruf zu riskieren. Cronkite saß regungslos wie ein Denkmal da – abgesehen davon, daß er ab und zu die Hand hob, um seine Zigarre zum Mund zu führen.
    Nach dieser Übereinstimmung hinsichtlich der Nichtanwendung von Gewalt erzielten die zehn Männer in nichts mehr Übereinstimmung. Schließlich meinte Patinos: »Warum wenden Sie – ich meine die vier Amerikaner hier am Tisch – sich nicht an Ihren Kongreß, damit er ein Notgesetz erläßt, das das Bohren nach Öl in internationalen Gewässern verbietet?«
    Benson sah ihn an, und der Ausdruck auf seinem Gesicht hatte ziemlich viel Ähnlichkeit mit Mitleid. »Ich fürchte, Sir, Sie wissen nicht über das Verhältnis zwischen den amerikanischen Konzernen und dem Kongreß Bescheid. Ein paarmal sind wir mit den Leuten zusammengekommen – es ging da um zuviel Profit und zuwenig Steuern. Wir haben sie so überheblich behandelt, daß es ihnen bestimmt ein ausgesprochenes Vergnügen wäre, jede Bitte abzuschlagen, die wir an sie herantrügen.«
    Einer der anderen, schlicht als ›Mr. A.‹ bekannt, sagte: »Wie wäre es, wenn man sich an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag wendete? Schließlich handelt es sich hier doch um ein internationales Problem.«
    »Keine Chance«, winkte Henderson ab. »Vergessen Sie's. Die Entschlußfreudigkeit dieser erhabenen Institution ist sprichwörtlich – bis von dort eine Entscheidung käme, wären alle hier am Tisch mindestens schon im Ruhestand. Und außerdem wäre sie höchstwahrscheinlich sowieso negativ.«
    »Und wie wär's mit der UNO?« fragte Mr. A.
    »Dieser Schwätzerverein!« Benson hatte offensichtlich keine gute und damit eine verbreitete Meinung von den Vereinten Nationen. »Die haben nicht mal soviel zu sagen, daß sie die Stadt New York veranlassen können, vor ihrer Tür eine neue Parkuhr zu installieren.«
    Die nächste revolutionäre Idee kam von einem der Amerikaner: »Warum einigen wir uns nicht darauf, für eine nicht festgesetzte Zeit – je nachdem wie es funktioniert – unsere Ölpreise unter die von Lord Worth zu senken? Dann würde doch keiner sein Öl kaufen.«
    Dieser Vorschlag hatte fassungsloses Schweigen zur Folge, das schließlich von Corral gebrochen wurde, der sehr liebenswürdig sagte: »Das würde nicht nur zu riesigen Verlusten der großen Ölgesellschaften führen, es würde Lord Worth augenblicklich dazu veranlassen, seine Preise so weit zu senken, daß sie wieder unter unseren lägen. Der Mann hat soviel
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