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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts
Autoren: Nadine Kühnemann
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Kapitel 1
    (K)eine glückliche Kindheit

    Manchmal sehne ich mich in jene unbeschwerten Jahre zurück, als mir das Leben unter dem Dach meines Vaters wie ein Paradies erschien – meine Kindheit.
    Ein Kind hinterfragt nicht, weshalb es auf die Welt gekommen ist und welche Umstände dazu geführt haben mochten. Es nimmt mit leuchtenden großen Augen und gierigen kleinen Händen das entgegen, was seine Eltern ihm bieten, egal, ob es sich dabei um Reichtümer oder einen schimmligen Brotkanten handelt. Ein Kind liebt seine Eltern bedingungslos, es ist formbar und anpassungsfähig wie frisch gegossener Beton, es hält sein Leben für richtig, wie es ist.
    Mit Bitterkeit erinnert sich mein heutiges Ich daran zurück. Meine unbeschwerte Kindheit war eine Illusion, und dennoch verzehre ich mich nach der Unbekümmertheit von damals. Vielleicht ist es ebendieser Sorglosigkeit meiner ersten Jahre anzulasten, dass meine früheste Kindheitserinnerung erst mit meinem siebten Lebensjahr einsetzt, was freilich ein sehr später Zeitpunkt ist. Davor ist nichts als Leere.
    Der Tag war in jeder erdenklichen Hinsicht besonders. Ich unternahm den ersten größeren Ausflug außerhalb der königlichen Mauern, noch dazu begegnete er mir an jenem Tag zum ersten Mal. Ich habe die Leute oft scherzhaft über den alltäglichen Kampf mit ihren inneren Dämonen reden gehört, aber ich denke, keiner von ihnen hat wirklich verstanden, was es tatsächlich bedeutet, von einem solchen heimgesucht zu werden.
    Wie ein Buch, das man aufschlägt und die erste Zeile in aller Deutlichkeit und Schärfe mit schwarzer Tinte auf weißem Papier vor sich sieht, setzen meine Erinnerungen ein. Ich glaube noch heute den Geruch von staubigen Samtkissen und Holzpolitur wahrzunehmen, wenn ich meinen Blick in die Vergangenheit richte.
    Die Kutsche rumpelte über nasses Kopfsteinpflaster, der Himmel leuchtete frostig grau. Die Menschen auf den Straßen falteten ihre Schirme zusammen, denn es hatte aufgehört zu regnen. Der Wind schien jedoch weiterhin schneidend zu sein, die Damen mussten ihre Hüte an ihrem Platz halten. Im Inneren des Fahrgastraums herrschte hingegen behagliche Wärme, die mit weißem Samt gepolsterten Kissen der königlichen Kutsche fühlten sich warm auf meiner Haut an. Ich zog den Vorhang vor dem Fenster beiseite und betrachtete das geschäftige Treiben auf den Straßen. Zum ersten Mal nahm Vater mich mit zu einer Baustelle, die sich am anderen Ende der Stadt befand. Voller Freude und Euphorie sog ich die Details der Umgebung in mich auf, die meine kindlichen Sinne mit Reizen überfluteten.
    »Papa, guck doch mal«, quiekte ich und drückte die Nase gegen die Scheibe. »Da ist ein Automobil!«
    Auch wenn ich mich nicht entsinnen kann, während meiner frühen Kindheitsjahre je mit einem Automobil in Kontakt gekommen zu sein, war es mir dennoch vertraut vorgekommen. Das Erste dieser modernen Transportmittel hatte man im Jahr vor meinem siebten Geburtstag in Elvar vorgestellt.
    Ich wandte den Kopf und sah zu Breanor auf. Er saß aufrecht und steif auf der mir gegenüberliegenden Sitzbank der Kutsche und verzog keine Miene.
    »Papa, du musst doch gucken«, quengelte ich.
    Vater sah mit ausdruckslosen Augen auf mich herab. »Fyn, du weißt doch, was ein Automobil ist.« Seine Stimme dröhnte tief und fest. »Wie oft haben dir deine Lehrer erklärt, wie sie funktionieren? Du enttäuschst mich, weil du einen solchen Aufstand deshalb machst.«
    Ich ließ mich auf die Sitzbank zurücksinken. »Ja, Papa.« Ein paar Sekunden vergingen lautlos. »Ich kann dir erklären, wie ein Automobil hergestellt wird und welche Firmen daran beteiligt sind.« Mich erfüllte die Euphorie eines Kindes, das unendlich stolz auf sein Wissen war. »Soll ich es aufzählen?«
    Breanor strich sich mit den Fingern durch den dichten Vollbart und schüttelte leicht den Kopf. »Nein.« In dem Wort lag etwas Endgültiges. Er sagte es weder mit Herzlichkeit noch mit Verständnis. Die Härte seiner Zurückweisung ließ mich zusammenfahren. »Das ist wirklich nicht nötig«, fügte er hastig hinzu und bemühte sich um einen milden Tonfall. Vermutlich hatte er mein Entsetzen bemerkt. Er rang sich ein Lächeln ab, das jedoch nicht zu den Augen hinaufreichte. Es vermochte mich nicht zu trösten. Ich spürte den Stich der Enttäuschung in meinem kleinen Herzen und wandte den Blick ab. Für den Rest der Fahrt starrte ich auf meine Füße.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ das stetige Rumpeln
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