Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wait for You

Wait for You

Titel: Wait for You
Autoren: J. Lynn
Vom Netzwerk:
Kapitel 1
Es gab zwei Dinge im Leben, die mir eine Höllenangst einjagten. Eines davon war, mitten in der Nacht aufzuwachen und festzustellen, dass ein Geist sein durchsichtiges Gesicht direkt vor meines geschoben hatte und mich anstarrte. Ziemlich unwahrscheinlich, aber trotzdem ein irre beängstigender Gedanke. Das Zweite war, zu spät ein volles Klassenzimmer zu betreten.
    Ich hasste es, zu spät zu kommen.
    Ich fand es fürchterlich, wenn die Leute sich umdrehten und mich anstarrten, wie sie es immer taten, wenn ich ein Klassenzimmer auch nur eine Minute nach Unterrichtsbeginn betrat.
    Deswegen hatte ich mir am Wochenende auf der Karte bei Google Maps den Weg zwischen meinem Apartment in University Heights und dem Parkplatz für Pendelstudenten immer wieder angesehen und genau eingetrichtert. Und ich war den Weg zusätzlich am Sonntag zweimal abgefahren, um sicherzustellen, dass Google mich nicht in die Irre führte.
    Exakt eins Komma neun Kilometer.
    Fünf Minuten mit dem Auto.
    Ich war sogar eine Viertelstunde zu früh aufgebrochen, damit ich zehn Minuten vor Kursbeginn um neun Uhr zehn ankam.
    Nicht berechnet hatte ich allerdings den langen Stau am Stoppschild. Denn Gott bewahre, dass in dieser historischen Stadt tatsächlich eine Ampel errichtet wurde. Und ich hatte auch nicht erwartet, dass es auf dem Campus keinen einzigen Parkplatz mehr geben würde. Ich hatte vor dem Bahnhof parken müssen, der an den Campus angrenzte, und somit kostbare Minuten damit verschwendet, in meinen Taschen nach Vierteldollarmünzen für die Parkuhr zu graben.
    »Wenn du schon darauf bestehst, ans andere Ende des Landes zu ziehen, dann geh wenigstens in eines der Wohnheime. Sie haben dort doch Wohnheime, oder?« Die Stimme meiner Mom stieg in meinen Gedanken auf, als ich vor dem Robert-Byrd-Wissenschaftsgebäude anhielt und um Atem rang, weil ich den steilsten, unangenehmsten Hügel aller Zeiten hochgerannt war.
    Natürlich hatte ich mich nicht in einem Wohnheim einquartiert. Weil ich genau wusste, dass meine Eltern irgendwann wie aus dem Nichts auftauchen würden, um sofort Urteile zu fällen und alles zu kommentieren . Ich hätte mir lieber selbst einen Faustschlag verpasst, als einen unschuldigen Beobachter diesen Qualen auszusetzen. Stattdessen hatte ich mir mein wohlverdientes Blutgeld zunutze gemacht und mir eine Dreizimmerwohnung neben dem Campus gemietet.
    Mr und Mrs Morgansten waren darüber alles andere als erfreut.
    Und diese Tatsache machte mich sehr glücklich.
    Aber im Moment bereute ich meine kleine Rebellion, denn als ich aus der feuchten Hitze des Augustmorgens in das klimatisierte Ziegelgebäude eilte, war es bereits elf Minuten nach neun, und mein Astronomiekurs fand im ersten Stock statt. Und warum zur Hölle hatte ich Astronomie gewählt?
    Vielleicht, weil mir von dem Gedanken, noch einen Biologiekurs durchzustehen, kotzübel wurde? Jep. Das war’s.
    Ich raste die breite Treppe hinauf, stürzte durch die Flügeltür und knallte direkt gegen eine Mauer.
    Ich stolperte rückwärts und wedelte mit den Armen wie ein durchgeknallter Schülerlotse. Meine übervolle Tasche rutschte von meiner Schulter und raubte mir das Gleichgewicht. Meine Haare fielen mir ins Gesicht und ein kastanienbrauner Schleier versperrte mir die Sicht auf alles um mich herum, während ich gefährlich ins Schwanken geriet.
    Oh mein Gott, jetzt fiel ich. Ich konnte es nicht verhindern. In meinem Kopf tobten Visionen von gebrochenen Hälsen. Das wäre so was von scheiße…
    Etwas Starkes, Hartes legte sich um meine Hüfte und fing mich aus meinem freien Fall auf. Meine Tasche knallte auf den Boden, und teure Bücher und Stifte verstreuten sich über den glänzenden Boden. Meine Stifte! Meine wunderbaren Stifte rollten überall herum! Eine Sekunde später wurde ich gegen eine Wand gedrückt.
    Die Wand war seltsam warm.
    Die Wand lachte leise in sich hinein.
    »Hoppla«, sagte eine tiefe Stimme. »Alles okay, Süße?«
    Die Wand war so absolut keine Wand. Es war ein Kerl. Mein Herzschlag setzte aus, und für eine beängstigende Sekunde lang spürte ich eine schreckliche Enge in der Brust, die verhinderte, dass ich mich bewegen oder auch nur einen klaren Gedanken fassen konnte. Ich wurde fünf Jahre zurückgeworfen. Festgehalten. Konnte mich nicht bewegen. Die Luft schoss schmerzhaft aus meiner Lunge, während ein Kribbeln meinen Nacken hochwanderte. Jeder Muskel meines Körpers zog sich zusammen.
    »Hey.« Die Stimme wurde sanfter und ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher