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Die Maske

Die Maske

Titel: Die Maske
Autoren: Siegfried Lenz
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hoch, legte das Bild ab und deckte es zu. Er
strich die obersten Decken glatt, bis nichts mehr daran erinnerte, was in dem
warmen Versteck verborgen war. Über ein Telephon, das ihn direkt mit dem Büro
der Direktion verband, meldete er, was geschehen war; seine Erschütterung
klang glaubwürdig.
    Der Alarm, den er auslöste, die Untersuchung, die
Spurensicherung und Befragung: alles geschah, wie er es bereits in einem
französischen Film gesehen hatte; diesmal allerdings wurde er selbst befragt,
er, der den Kunstraub als erster entdeckt und gemeldet hatte. Auch dabei gelang
es ihm, seine Erschütterung überzeugend darzustellen, der Vertreter des
Direktors dankte ihm mit langem Händedruck.
    Zwei Tage ließ er Antonia unter den Decken, seine
Unruhe setzte ihm so zu, daß er mehrmals den Geräteraum aufsuchte, nur um sich
zu vergewissern, daß sie noch an ihrem Platz war.
    An einem späten Abend - es war dunkel, leichter
Regen fiel - trug er das in Zeltbahnen eingeschlagene Porträt zu seinem Auto
und legte es in den Kofferraum, den er vorher ausgemessen hatte. Zur Polsterung
hatte er sich ein paar Lappen besorgt. So, wie er immer nach Feierabend fuhr,
fuhr er auch mit seiner Fracht nach Hause und parkte neben seiner Werkstatt,
einem selbstgebauten Schuppen, in dem er kleine Reparaturarbeiten verrichtete
und manchmal auch ausruhte. Vorsichtig trug er das Porträt in die Werkstatt,
musterte die Wand, als suchte er nach einem geeigneten Platz; schließlich, da
er nichts zu finden schien, stellte er Antonia vor der breiten Liege ab.
Zufrieden nickte er ihr zu. Bevor er noch ins Haus ging, erschien Sandra vor
der Tür und fragte: „Was hast du gebracht, Detlev? Etwas für mich?“ Unsicher,
was er darauf antworten sollte, streckte er ihr eine Hand hin und sagte nur: „Komm,
Sandra.“ Er zog sie vor das Bild, gespannt auf ihre Reaktion, doch sie stand
nur wortlos da, und auf ihrem Gesicht erschien ein kleines glimmendes
Mißtrauen, das allein Antonias Schönheit galt. Nach kurzem Schweigen sagte
sie: „Diese Frau ist sehr schön.“
    „Ja“, sagte er, „aber das war einmal.“ Um ihr zu
erklären, warum er das Porträt hierhergebracht hatte, log er ihr vor, daß er
es vorübergehend in seine Obhut genommen habe, „weil man etwas verändern will
im zweiten Saal, umhängen, glaube ich“. Sandra sah ihm an, daß er log. Sie zuckte
die Achseln und ging hinüber ins Haus und nach kurzer Unschlüssigkeit ins
Schlafzimmer. Sie wartete, sie lauschte. Detlev kam nicht und tastete nicht wie
sonst nach ihrer Hand. In der Stille versuchte sie, sich vorzustellen, was er
dort tat vor dem Bild, allein vor diesem Porträt; da es ihr nicht gelang, zog
sie die Bettdecke über sich und versuchte einzuschlafen. Die andauernde Stille
beunruhigte sie jedoch, Sandra konnte nicht einschlafen. Mit einem Laut der
Verzagtheit stand sie auf und ging hinüber zum Schuppen. Auch Detlev hatte sich
hingelegt.
    Die Hände unter dem Kopf verschränkt, so lag er auf
dem Rücken, sein Gesicht dem Bild zugewandt, mit offenen Augen.
    Bei ihrem Eintreten schloß er die Augen und stellte
sich schlafend. Obwohl Sandra es bemerkte, trat sie neben die Liege, griff das
Bild mit beiden Händen und drehte es um - und stellte sich dabei seine
Enttäuschung beim nächsten Blick vor. Er protestierte nicht, er ließ es
geschehen. Es kam ihm so vor, als hätte seine junge Sandra das Angebot, das das
Bild enthielt, ernst genommen. Er glaubte sogar darin bestätigt zu werden, als
er den Ausdruck von Ablehnung auf ihrem Gesicht sah, mit dem sie das Bild
musterte, obwohl Antonias Erscheinung nicht erkennbar war.
    In der Dunkelheit der Nacht, als sie nebeneinanderlagen
und sich erzählten, was der Tag gebracht hatte, fragte Sandra: „Diese Frau,
Detlev, wie lange soll sie hier bleiben?“ Die Frage hatte ihn offenbar
überrascht; er fragte: „Du meinst das Bild?“
    „Dies Porträt“, sagte sie. „Man wird es zurückholen“,
sagte er, „bestimmt in den nächsten Tagen.“
    „Gott sei Dank“, sagte Sandra. Detlev wollte sich
mit dieser Reaktion nicht abfinden, er fragte nach, er wollte wissen, ob es
Sandra nicht Freude mache, das Bild anzuschauen, dem der Maler den Titel Antonia gegeben
habe, ein schöner Name, ein schönes Gesicht. Sandra sagte nur: „Ich weiß nicht.“
    Diese Unsicherheit dauerte nur vorübergehend an,
bald erfuhr sie Einzelheiten über den Kunstraub im Museum ihres Mannes, las in
der Zeitung, daß nicht allein die Sackträger und das
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