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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr
Autoren: Stefan Papp
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Prolo g

    »Dionysos, schäm dich! Wie kannst du es wagen, eines meiner Kinder zu ver führen?«
    »Athene, kein Mensch ist von Natur aus dein.«
    »Von wegen. Schau dir diesen Burschen doch an! Aphrodite hat ihn wahrlich nicht mit Liebreiz gesegnet. Wen wundert es da noch, dass Amors Pfeile ihn stets verfehlen. Und dieser abscheuliche Gesang von gestern offenbart, dass auch Apollos Musen ihm fern bleiben wollen. Ohne Sinn für die Natur taugt er auf Demeters Feldern nur zur Vogelscheuche. Was bleibt ihm also noch, außer meine Gabe des Geistes?«
    »Er hat nach mir gerufen, Athene, und ich habe ihn erhört!«
    »Erhört? Den Wahnsinn hast du in ihm genährt!«
    »Ich lasse nur gedeihen, was bereits vorhanden ist. In vielen schlummert unerforschtes Verlangen. Ich rüttle die Schlafenden wach und öffne den Blinden die Augen. Ohne mich nähmen viele die Fähre über den Styx zum Hades, ohne je wirklich etwas über sich erfahren zu haben.«
    »Wer bestimmt, dass im Leben alles ausgelebt werden muss? Manchmal ist es klüger, die Türen zur Seele verschlossen zu halten.«
    »Nur wer sich den Schatten stellt, der vermag auch über sich hinauszuwachsen. Die Götter gewähren dem Menschen unzählige Gelegenheiten im Leben und doch vergeuden viele von ihnen einfach nur ihre Zeit. Aber dann, wenn Charon sie in die Fähre bittet und fragt, was sie im Leben geleistet haben, bereuen viele ihre Feigheit. Doch dann ist es zu spät.«
    »Sich der Seelenqual zu stellen, ist kein leichtes Unterfangen. Viele mussten verfrüht dem Fährmann einen Obolus entrichten, weil sie nicht mochten, was sie sahen.«
    »Soll dies etwa mein Vergehen sein? Wer mit dem Feuer spielt, der vermag sich daran auch zu verbrennen. Ich biete den Menschen lediglich eine Wahl, sonst nichts.«
    »Doch dafür bedienst du dich unredlicher Mittel, Dionysos.«
    »Sie selbst greifen doch zum Glas. Ich gieße lediglich das Pflänzchen ihres Verlangens.«
    »Gießen? Diesem Burschen aber hast du über die Maßen eingeschenkt!«
    »Von ihm hätte selbst mein stets trunkener Freund Silenos noch etwas lernen können.«
    »Hast du denn gar kein Mitleid mit dem armen Kerl?«
    »Hast du mir denn gar nicht zugehört? Ohne mein Zutun wäre er stets der Alte geblieben. Nun aber kann er den Kairos beim Schopf packen und über sich hinauswachsen. Kein Mut zur Veränderung, stets der gleiche Trott – ist dies denn nicht das härtere Schicksal?«
    »Willst du ihn einfach so seinem Chaos überlassen?«
    »Mein Bestreben ist es nicht, die Sorgen der Menschen zu lindern; meine Aufgabe ist es, sie ihnen vor Augen zu führen.«
    »Und was, wenn er den Weg aus dem Elend nicht findet?«
    »Dann wird er die Lösung womöglich wieder im Trunk suchen und ich werde ihn mit einer noch härteren Lektion erwarten.«
    »Und dennoch hat der Mensch den freien Willen. Ich wette mit dir, er wird seine Misere kraft seines Verstandes lösen und die Tortur der Seelenqual bleibt ihm erspart.«
    »Lassen wir es drauf ankommen! Schau genau hin! Gleich wacht er auf.«

Filmriss
    »Auf den Alkohol - die Ursache und Lösung aller Probleme!«
    ― Homer J. Simpson

    Blechernes Geschrei riss Sam aus seinem Schlaf. Die Idee den Klingelton auf den ›Dalek- Kampfruf‹ zu wechseln, war doch nicht ganz so brillant gewesen, wie er es sich am Vortag nach drei oder vier Bier vorgestellt hatte. Wer konnte auch ahnen, dass gerade das verzerrte »Exterminate, annihilate, destroy!«-Geschrei der ›Salzstreuer-Aliens‹ aus der Serie ›Dr. Who‹ am Morgen furchtbar in seinem Kopf dröhnen würde.
    Die Sonne hatte sich schon aus dem Blickfeld des östlichen Fensters verabschiedet. In Sams Kopf dröhnte die Anfangsstrophe seiner persönlichen Hymne für den berüchtigten Tag danach: »I can‘t remember anything / can’t tell if it is true or dream …«
    … zumindest die Gewissheit, nicht schon wieder ein Handy in einer Bar liegen gelassen zu haben. Jetzt musste nur noch die Geldbörse in der ausgebeulten linken Gesäßtasche seiner abgetragenen Jeans stecken. Ein müdes Tasten mit noch geschlossenen Augen, vergewissern … Die Rekonvaleszenz konnte beginnen.
    Der Anrufer blieb hartnäckig. Kaum waren die Dalek-Rufe verstummt, sobald er auf die Sprachbox kam, ging es binnen weniger Sekunden erneut los. Das konnte ja nur einer sein! Same procedure as last time, Horst? Same procedure as after every time, Sam! Der nervenzerreißende Dalek-Sound würde ihn den ganzen Nachmittag in den Wahnsinn treiben, wenn er nicht
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