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Sommer in Lesmona

Sommer in Lesmona

Titel: Sommer in Lesmona
Autoren: Magdalene Marga; Pauli Berck
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    An
    Fräulein Bertha Elking
    Rittergut Darneelen b. Gerdshagen i. M.
     
     
    Freitag, den 30. Juni 1893
    Bremen
    Liebe einzige Bertha!
    Was ist alles passiert, seit wir uns
heute früh um 8 Uhr am Bahnhof in Lübeck trennten! Das Letzte, was ich von Dir
sah, war, wie Du zwischen Tante The und Tante Martha auf den anderen Bahnsteig
geführt wurdest. Du drehtest Dich noch einmal zu mir um und zucktest die
Achseln zum Zeichen, daß Du Hans nicht entdeckt hättest. Ich sah bis zuletzt
aus dem Fenster, ob er noch irgendwo stände, denn er hatte doch versprochen,
mich noch wegfahren zu sehen.
    Als der Zug abfuhr und ich gerade den
Kopf wieder hereinziehen will, winkt er aus dem Nachbar-Coupefenster. Du kannst
dir meinen Schreck denken. Natürlich wußte ich sofort, daß irgend etwas
passieren würde. An der ersten Station, wo der Zug hielt, kam der Schaffner mit
einem Rosenstrauß und fragte, ob der Herr von nebenan wohl hereinkommen dürfe,
dann würde er dies Schild «Frauen» in «Nichtraucher» umklappen. Natürlich sagte
ich, er möchte nur hereinkommen, und schon war er da. Er sah wirklich ganz
glänzend aus. Ich war aber so wahnsinnig verlegen, daß ich gar nicht sprechen
konnte. Zuerst sagte er, er wollte mir nun beichten, daß Edda von K. ihm von
unserem Aufenthalt in Lübeck geschrieben hätte, deshalb sei er sofort am ersten
Nachmittag bei uns vorbeigeritten. Seine Eltern hätten uns auch an dem
Nachmittag in Travemünde gesehen und würden uns gern begrüßt haben, aber Du und
ich wären ja wie zwei Gefangene zwischen den Tanten nach der anderen Seite
abgeführt worden. Dann fragte er, ob die Tanten Roesner was davon gemerkt
hätten, daß wir beide mit ihm in der Konditorei gewesen wären, und solche
Sachen mehr. Dann redete er von Carly. Eigentlich schwieg ich immer, weil ich
solche Angst hatte. Er saß mir gegenüber. Plötzlich setzte er sich zu mir und
sagte: «Wissen Sie auch, daß ich mich vor einem Jahr schon in Sie verliebte,
als ich, mit Strahlendorff von Carly eingeladen, bei Ihnen in Bremen wohnte?
Sie waren da ja so süß und so frech, und ich dachte, daß ich keine andere Frau
heiraten möchte.»
    Liebe, liebe Bertha, ich dachte immer,
wenn Du doch nur da wärest und mir helfen könntest! Seine Augen waren sehr
blau, aber sonst weiß ich wenig von seinem Gesicht. Natürlich merkte er, wie
furchtbar verlegen ich war. Da sagte er, ich sollte doch keine Angst vor ihm
haben, wir hätten uns doch in Bremen so gut verstanden, und ob es mir denn ein
schrecklicher Gedanke sein würde, wenn er mich fragte, ob ich seine Frau werden
wollte. Ich sagte: «Herr W., ich bin siebzehn Jahre, ich glaube, mein Vater
wird furchtbar böse.» Er sagte, das sollte ich nur ihm überlassen, und
das wollte er schon alles über Carly machen. Da sagte ich, das sei ganz verkehrt, denn Carly wollte nichts davon wissen, daß ich mich verlobte. Da
meinte er lachend: «Also an sich sind Sie einverstanden und weisen mich
nicht ab?» Ich sagte: «Ich weiß es nicht, ich habe es mir noch gar nicht
überlegt.» Dann zog er meine langen gelben Handschuhe aus und fing an, die
innere Hand und den Arm zu küssen. Denke Dir, das mochte ich nicht, und
ich zog die Hand rasch weg.
    Nun redete er wieder anderes Zeug, und
ich sollte mich erst mal beruhigen und von Dir erzählen. Darüber war ich sehr
erleichtert und erzählte, daß ich jetzt fünf Wochen bei Euch in Darneelen war,
nun drei Tage in Bremen bliebe, dann die Eltern in Wildungen abholen würde und
mit ihnen nach Kreuth reisen. Er ließ sich die Adressen in Wildungen und Kreuth
sagen und schrieb sie auf. Nun sah ich nach der Uhr und sagte: «Wir haben jetzt
noch 20 Minuten bis Hamburg, in Hamburg steht Frau Georgi und holt mich ab, sie
bringt mich dann auf den anderen Bahnhof, und Sie dürfen nicht mit mir dort
aussteigen.» Er sagte: «Wo soll ich denn bleiben, ich kann doch nicht aus dem
Fenster springen?» Ich sagte: «Nein, Sie müssen einfach kurz vorher ins Closett
gehen, Frau Georgi darf Sie nicht sehen. Ich habe schreckliche Angst vor meinem
Vater.» Nun fing er wieder von Verloben an. Ich sei ja noch sehr jung, aber wir
könnten ja ein Jahr warten. «Nein», rief ich, «das will ich nicht, denn ich
weiß gar nicht, ob ich Sie in einem Jahr noch mag.» Da sagte er: «Also, Marga,
heute mögen Sie mich?» Mir wurde ganz übel, und ich sagte: «Ja, ich mag Sie
sehr gern, und in Lübeck fand ich das alles sehr schön mit dem Treffen und so,
aber mein Vater
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