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Die Maske

Die Maske

Titel: Die Maske
Autoren: Siegfried Lenz
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beobachtete Cornelia, während sie mich porträtierte. Was sich in ihrem
Gesicht spiegelte, verwunderte mich nicht. Freimütig ging sie auf
Entdeckungsreise, verzog die Lippen, hob die Augenbrauen. Bei ihrem Versuch,
mich erkennbar zu machen, nickte sie lächelnd. Sie legte die Stirn in Falten
und schüttelte den Kopf wie in Abwehr. Unwillkürlich fragte ich mich, warum
sich plötzlich ihr Gesicht verschattete. Und ich fragte mich, was der schwache
Zischlaut zu bedeuten habe und warum sie sich, mit der klassischen Geste des
Zweifels, hinter dem Ohr kratze. Warum sie die Nase kraus zog, konnte ich nur
vermuten. Der kurz aufscheinende Triumph und der entschlossene Gebrauch des
Farbstifts deuteten auf eine notwendige Korrektur hin. Mehrmals hielt sie das
Blatt von sich ab und betrachtete es mit schräggelegtem Kopf. Warum sie immer
wieder die Maske anschaute - sie tat es prüfend, vergewissernd -, versuchte ich
mir zu erklären.
    Auf einmal trat Stille ein. Alle wandten sich dem
Eingang zu, wo drei Uniformierte erschienen waren. Einer, der das Sagen hatte,
hob einen Arm und bat um Ruhe.
    Es waren Männer der Küstenwache. Er, der das Sagen
hatte, der Kommandant oder Chef, bat um Entschuldigung für die Störung -
wörtlich sagte er: „Es tut mir leid, meine Damen und Herren, aber ich muß die
fröhliche Stimmung für einen Augenblick unterbrechen.“ Und als diktierte er ein
Protokoll, fuhr er fort: „Es wurde hier ein Container der China Shipping Line
unrechtmäßig geöffnet. Man hat sich den Inhalt unrechtmäßig angeeignet. Sie
werden hiermit aufgefordert, alle entwendeten Gegenstände zurückzugeben.“ Auf
ein Handzeichen postierten sich die Uniformierten an der Tür, und wir wurden
aufgefordert, den Raum zu verlassen, nacheinander.
    Ich suchte Lene; auch sie erhob sich, betastete
ihre Maske und reihte sich ein, und als sie bei den Uniformierten war, fiel ihr
nichts anderes ein, als die Wildkatze mit einem angedeuteten Kuß zu übergeben.
Asmus Asmussen lieferte den Bären ab und Hauke Just den Frosch, ihnen wurde
gedankt.
    Der Uniformierte, dem ich meine Maske übergab, war
wohl zu einem Spaß aufgelegt, denn nach einem vergleichenden Blick auf den
Drachen und mich sagte er: „Eine Ähnlichkeit ist nicht festzustellen.“
    Als Prugnitz an der Reihe war, entstand ein kleiner
Tumult. Er, der sich als Hahn gefiel, zögerte, seine Maske abzunehmen, er
maulte, drohte, woraufhin ein Uniformierter es als sein Recht ansah, Prugnitz
die Maske vom Gesicht zu reißen. Bevor er noch sagen konnte, wen er da zum
Vorschein gebracht hatte, schlug Prugnitz ihm vor die Brust und warf den
Uniformierten zur Seite und stürmte ins Freie. Behende lief er auf die Dünen
zu, entschied sich dann aber für die Ansammlung von Strandkörben, die vor dem
Sturm in Sicherheit gebracht worden waren, hier verlor ich ihn aus den Augen;
die beiden Verfolger gaben auf.
    Die Uniformierten glaubten ihre Arbeit getan zu
haben. Ihr Chef begutachtete den Stapel der Masken und erklärte, daß diese
unrechtmäßig entwendeten Gegenstände hiermit eingezogen seien, man werde sie
in der nächsten Woche abholen. Er ließ sich von Opa Klaas einen Schrank öffnen,
legte die Masken selbst hinein und sagte: „In der nächsten Woche wird man Sie
erleichtern.“ Dann gab er den Befehl zum Aufbruch, und die Uniformierten zogen
ab.
    Warum Asmus Asmussen und Hauke Just in Streit
gerieten, war nicht erkennbar, zuerst drohten sie einander, dann reckten sie
sich, dicht zusammenstehend, zu wahrer Größe, geradeso, als wollten sie sich
messen, schließlich fielen die ersten Schläge, und danach probierten sie
Umklammerungen, Ringergriffe. Es wunderte mich nicht, daß sich sogleich
Parteien bildeten, die ihren Favoriten durch Zurufe unterstützten, es hätte
nicht viel gefehlt, und die Parteien hätten übernommen und ausgetragen, was
ihnen vorgemacht wurde von den beiden.
    Auf ein Zeichen von Lene ging ich zu ihr, sie nahm
meine Hand und zog mich hinaus, fort von den aufgebrachten Leuten, für die sie
nur ein mitleidiges Lächeln übrig hatte. Wir gingen den erlaufenen Wanderweg bis
zu den Schuppen ihres Vaters, hier sagte sie: „Komm, Jan, wir sagen dem alten
Mann guten Tag.“ Ihr Vater war dabei, die Leine eines Wurfnetzes anzupassen.
Bei seinem Anblick dachte ich: Der braucht keine Maske, den kann man gleich
für einen Hasen halten. Zweimal mußte Lene ihm meinen Namen nennen, er blickte
mich skeptisch an, nachdem Lene ihm beigebracht hatte: „Jan ist vom
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