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Die Landkarte der Liebe

Die Landkarte der Liebe

Titel: Die Landkarte der Liebe
Autoren: Lucy Clarke
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mit einer Freundin auf einen Kaffee verabreden? Ins Fitnessstudio gehen? Sich mit Ed zum Mittagessen treffen? Sie musste offen zugeben, dass sie keine Ahnung hatte, was ihre Schwester in ihrer Freizeit unternahm.
    Â»Sagst du Bescheid, wenn ihr gut angekommen seid?«
    Â»Klar«, erwiderte sie mit einem unwillkürlichen Schulterzucken. Eigentlich hätte sie Katie gern gesagt, dass sie sie liebte, dass sie ihr fehlen würde, doch das konnte sie nicht in Worte fassen. So war es ihr immer ergangen. Stattdessen hob sie die Hand und winkte, dann drehte sie sich um und ging. Mit Finn.
    Mia drückte die Nase an das Fenster und beobachtete, wie London unter den weißen Tragflächen verschwand. Sie stiegen durch dichte Wolken hoch, die nach und nach die Sicht verschluckten. Mia sank zurück in ihren Sitz. Langsam beruhigte sich ihr Puls. Sie war fort.
    Das Reisetagebuch lag auf ihrem Schoß. Es stammte vom Camden Market, von einem Stand mit Wetterfahnen, Karten und alten Taschenuhren. Der meerblaue Stoffeinband und kräftiges, cremefarbenes Papier, das nach Verheißung roch, hatten Mia angelockt.
    Sie schlug es auf, drückte ihren Kugelschreiber gegen das Schlüsselbein und schrieb die ersten beiden Zeilen.
    Die meisten Menschen verreisen aus zwei Gründen: Sie suchen etwas, oder sie fliehen vor etwas. Für mich gilt beides.
    Dann steckte sie das Tagebuch in die Sitztasche, zu der laminierten Karte mit den Sicherheitshinweisen, und schloss die Augen.
    Beim Sinkflug über die Gebirgskette der Sierra Nevada schaute Mia wieder hinaus auf die Wolken. Sie sahen so flauschig und einladend aus, am liebsten wäre sie in die Wolken eingetaucht, um in dem weichen Gefühl zu baden und mit dem Wind zu treiben.
    Â»Leider nicht so weich, wie’s aussieht«, sagte Finn, als könnte er ihre Gedanken lesen.
    Finn Adam Tyler war ihr bester Freund, und das, seit sie sich im Alter von elf Jahren im Schulbus begegnet waren. Der Anruf, bei dem sie ihm gesagt hatte, dass sie auf Reisen gehen wolle, lag nun einen Monat zurück. Sie hatte in der Küche gesessen, auf der Arbeitsplatte, die Fersen gegen die Kühlschranktür gestützt. Als Finn ans Telefon gegangen war, hatte sie nur gesagt: »Ich hab einen Plan.«
    Â»Was brauche ich dafür?«, hatte er erwidert, so wie früher, in ihren Teenagerzeiten, als die Regel galt, dass jeder Plan, den einer von ihnen erdachte, von dem anderen befolgt werden musste.
    Sie hatte gegrinst. »Deinen Reisepass, ein Kündigungsschreiben, einen Rucksack und eine Typhus-Impfung.«
    Am anderen Ende der Leitung war es still geworden. Dann: »Mia, was hast du getan?«
    Â»Zwei Round-the-World-Tickets reserviert: Amerika, Australien, Neuseeland, Fidschi, Samoa, Vietnam und Kambodscha. In vier Wochen geht es los. Bist du dabei?«
    Schweigen. Es hing so lange zwischen ihnen, dass sich Mia gefragt hatte, ob sie zu impulsiv gewesen war und er sagen würde, dass er nicht einfach alles stehen und liegen lassen könne.
    Â»Die Typhusimpfung«, hatte er schließlich gesagt, »geht die in den Arm oder den Arsch?«
    Nun saß Finn neben ihr, die Knie gegen den Vordersitz gedrückt, eine Zeitung auf dem Schoß. Die mausbraunen Locken aus seinen Schulzeiten waren einem Kurzhaarschnitt gewichen, und am Kinn zeigten sich raue Stoppeln.
    Am Ende ihrer Reihe löste eine üppige Frau mit baumelnden goldenen Ohrringen ihren Gurt und stand auf. Sie ging auf die Waschräume zu und hielt sich auf dem Weg dahin an den Kopfstützen fest. Mia wandte sich an Finn. »Ich muss mit dir sprechen.«
    Â»Wenn es um die letzte Mahlzeit geht – ich schwöre dir, du hast tief und fest geschlafen.«
    Sie lächelte. »Es ist etwas Wichtiges.«
    Finn faltete die Zeitung zusammen und wandte sich dann Mia zu.
    Einige Reihen vor ihnen setzte das leise Quengeln eines Säuglings ein.
    Mia schob die Hände unter die Oberschenkel. »Das klingt jetzt vielleicht komisch«, fing sie unsicher an, »aber nachdem ich unsere Tickets gebucht hatte, ist mir klar geworden, dass ich unterwegs noch woanders hingehen muss.« Natürlich hätte sie ihm das längst sagen sollen, doch sie hatte Angst gehabt, dadurch etwas anzustoßen, dem sie noch nicht gewachsen war. Manchmal war ihr gar nicht bewusst, dass irgendetwas in ihr gärte, bis die Idee plötzlich da war und sie ihr folgte. »Ich hab einen zusätz­lichen Stopp
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