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Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo

Titel: Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo
Autoren: Johannes Kaul
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Einleitung
    Mythos Kilimandscharo
    »Der nicht geschundene Mann wird auch nicht erzogen.«

    Über den Sinn dieses aus dem Altgriechischen stammenden Satzes, den Goethe zum Motto seiner Autobiografie »Dichtung und Wahrheit« gemacht hat, haben wir Schüler uns vor gut fünfzig Jahren mit unserem Gymnasiallehrer heftig gestritten. Warum um alles in der Welt wird »der nicht geschundene Mann auch nicht erzogen«? Heute, fünfzig Jahre später, geben mir der Kilimandscharo und der Weg zu seinem Gipfel das Rätsel mit dem »Schinden auf dem Weg zum Glück« noch einmal auf.
    Warum will ich mich auf einen Weg machen, der mir das Atmen und das Gehen erschwert und der mich nachts nur wenig Schlaf finden lässt? Warum will ich mit 67 Jahren einen Weg gehen, bei dem mich am Ziel nur Kälte und geringer Sauerstoffgehalt der Luft erwarten? Auf der Suche nach dem Glück?
    An einem grauen Januartag finde ich mich in dem Arbeitszimmer wieder, in dem ich dreizehn Jahre lang als Redaktionsleiter des ARD-Frühstücksfernsehens in Köln gearbeitet habe. In der einen Hand einen kleinen Zettel mit Notizen, in der anderen eine Übersichtskarte der Bergregion des Kilimandscharo - und im Herzen eine zunächst einmal völlig verrückte Idee.
    Mein erstes »Opfer« an diesem Tag im WDR ist Martin, der vor ein paar Jahren meinen Job übernommen hat und sich jetzt anhören muss, was an Plänen im Kopf eines 67-jährigen Ruheständlers noch so alles Platz hat. Dabei hören sich die Überlegungen im ersten Moment ganz vernünftig an: Jeden Morgen gibt es im ARD-Morgenmagazin seit seiner Gründung 1992 drei Zeitstrecken für Live-Reportagen; gewissermaßen ein Blick aus der alltäglichen Studioumgebung in Köln heraus in die Welt. Und da könnte man doch... Ja, da könnte man versuchen, das Studiofenster einmal ganz weit aufzustoßen und mit Mann und Maus und technischem Live-Equipment nach Afrika zu gehen. Dort könnten wir die Chance nutzen, etwas von dem Mythos zu ergründen, der sich in den letzten Jahren um den Weg zum schneebedeckten Gipfel des Kilimandscharo gebildet hat.
    »Martin, du weißt schon - der Hemingway-Berg«, zu dem Jahr für Jahr immer mehr Abenteuerlustige aufbrechen. Sie wollen den Berg bezwingen und sich selbst dabei etwas beweisen.

    Fünf Tage - so höre ich mich erklären - dauert diese Aufstiegstour oder vielleicht besser -tortur... fünf Tage, an denen wir kontinuierlich von Montag bis Freitag über die Erlebnisse einer deutschen Reisegruppe berichten könnten. Über Erfolge oder auch über das Scheitern: »Live natürlich, meine ich!« Die große Verlockung daran: Wir wären die ersten Fernsehmacher der Welt, die diese extreme technische Herausforderung annehmen und sich gleichzeitig nicht vor der körperlichen Anstrengung drücken würden.
    »Meinst du, wir sollten das anpacken?« frage ich Martin, den Redaktionsleiter, beinahe beschwörend. Wahrscheinlich verdanke ich den Umstand, dass das Gespräch an dieser Stelle weitergeht, nur dem Glück, dass wir uns seit Jahren gut kennen - mit all unseren manchmal auch verwegenen Ideen und Widersprüchen.
    Ja, und wie soll das gehen, mit der Technik, den monströsen Live-Kameras und der schweren Satellitenausrüstung? »Wir müssten von hier«, mein Zeigefinger bewegt sich von einem Punkt auf der Karte, der mit »Marangu Gate« benannt ist und auf 1800 Meter Höhe liegt, »nach da...« - nun wandert der Finger auf die über 5800 Meter der Kili-Gipfelregion. Wie viele Menschen, Kameraleute, Techniker und Reporter werden da nötig sein, was wird der Transport kosten, sprengt der Aufwand nicht den Etatrahmen?
    Und fast am Ende des Gesprächs höre ich dann die Frage aller Fragen, die ich in den kommenden Monaten bald nachts im Traum vor mich herbeten kann: Wer soll denn überhaupt da hoch, wer kann da hoch auf die Extremhöhe von 5800 Metern?
»Und du selbst - du glaubst, dass das zu schaffen ist? Dass du das schaffen kannst?« Ich nicke selbstbewusst an diesem trüben Januartag in einem klimatisierten Kölner WDR-Büro und murmele statt einer Antwort noch etwas davon, dass dies in der Tat die allererste TV-Live-Übertragung vom Aufstieg auf diesen afrikanischen Wunderberg wäre. »Martin - eine Live-Premiere!... Und wir könnten sie machen!!«
    Doch glücklicherweise gibt es in einer Fernsehanstalt viele Realisten, die nicht gleich auf die erstbeste Idee abfahren, und zeigt sie sich auch noch so verführerisch. Denn seriös gesehen wusste ich bis zu diesem Zeitpunkt nur,
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