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Die Landkarte der Liebe

Die Landkarte der Liebe

Titel: Die Landkarte der Liebe
Autoren: Lucy Clarke
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herum, einer unter dem Waschbecken, der andere auf dem Fußhebel des Mülleimers.
    Katie, in ein hellblaues Handtuch gewickelt, hatte im Türrahmen gestanden. »Oh, Mia …«
    Ihr hatte der Schädel gedröhnt, und der bittere Geschmack von Alkohol hatte pelzig auf ihrer Zunge gelegen. Sie hatte sich aufgerichtet, und in dieser Sekunde war ein hämmernder Schmerz in ihre Schläfen gefahren. Momentaufnahmen vom Vorabend waren vor ihrem geistigen Auge erschienen: die schummerige rote Kneipe, die leeren Whiskygläser, der schwüle Beat eines R&B-Tracks, ein moschusartiger Schweißgeruch, eine neue Runde, begeistertes Männergegröle, ein vertrautes Gesicht, die unbezwingbare Lust auf Gefahr. Sie hatte sich ihre Handtasche über die Schulter geschwungen, den Rest Whisky hinuntergekippt, und war in einen dunklen Korridor getorkelt. Die Erinnerung an das, was dann geschehen war, war so intensiv, so beschämend, dass ihr gar keine Wahl geblieben war. Sie musste fort. Aus London. Von ihrer Schwester.
    Ein Passagieraufruf, der über die Lautsprecher dröhnte, riss sie aus ihren Gedanken.
    Katie sagte: »Ich mach mir Sorgen um dich, Mia.«
    Sie zog ihre Hand zurück und tat so, als müsste sie den Rucksack zurechtrücken. »Ich komm schon klar.«
    Ein Paar mittleren Alters hetzte an ihnen vorbei. Mit einem gemurmelten »Große Güte!« schob der Mann eilig einen Gepäckwagen hinter seiner Frau her, die Mühe hatte, auf ihren hohen Absätzen zu gehen. Ihre Finger krallten sich um die Tickets. Dann sah der Mann zu Katie. Die Männer konnten einfach nicht anders. Sogar wenn sie zu ihrem Flugzeug hetzten und die Ehefrau an ihrer Seite war – sie mussten Katie ansehen. Sie zog die Männerblicke wie Honig die Bienen an, oder Scheiße die Fliegen, wie Mia einmal in ihrer Rage gesagt hatte. Es lag nicht nur an Katies zierlicher Figur und dem honigblonden Haar, es lag an ihrem sonnigen Selbstvertrauen. Es strömte ihr aus allen Poren: Ich weiß, wer ich bin.
    Katie bemerkte den bewundernden Blick nicht. Sie war abgelenkt. Finn kam auf sie zu, in seinem üblichen Outfit aus T-Shirt, Jeans und Converse, einen abgewetzten, armeegrünen Rucksack lässig über einer Schulter.
    Katie trat einen kleinen Schritt zurück, stellte sich neben Mia und schob die Hände in die Taschen.
    Finns Blick wanderte langsam über die beiden Frauen. Dann verzogen sich seine Lippen zu einem breiten, entspannten Lächeln. »Die Greene-Schwestern!« Falls es auf seiner Seite so etwas wie Beklommenheit gab, zeigte er es jedenfalls nicht. »Katie, kommst du mit?«
    Â»Ich werde eure Reise in all den E-Mails miterleben, die mir Mia schickt.«
    Mia grinste. »Hab den Wink verstanden.«
    Ein Fahrzeug, das Gepäckwagen hinter sich her zog, rollte piepend auf sie zu. Sie mussten sich zu dritt aneinanderdrängen.
    Â»Und, wie geht’s so?«, fragte Finn Katie. »Ist lange her.«
    Â»Ja, wohl wahr. Alles bestens, danke. Viel Arbeit. Aber gut. Und bei dir? Wie geht’s dir?«
    Â»Ziemlich gut, wenn ich mir vorstelle, dass ich ein Jahr frei- habe.«
    Â»Das könnt ihr wohl beide sagen. Also, zuerst nach Kalifornien?«
    Â»Ja, ein paar Wochen an der Küste entlang. Und dann Australien.«
    Â»Klingt großartig. Ich bin echt neidisch.«
    Wirklich? , fragte sich Mia. Würde Katie so was tun? Sich das Leben auf den Rücken schnallen und ohne Ziel und Plan von Ort zu Ort ziehen?
    Â»Okay«, sagte Katie und zog die Wagenschlüssel aus ihrer Handtasche. »Ich muss los.« Sie schaute zu Finn, ihr Ausdruck wurde ernst. »Du passt mir gut auf sie auf, klar?«
    Â»Warum bittest du nicht gleich einen Goldfisch, einen Piranha zu hüten?«
    Katie entspannte sich ein wenig. »Bring sie mir nur heil zurück.«
    Â»Versprochen.« Er beugte sich vor und küsste sie auf die Wange. »Mach’s gut.«
    Sie nickte rasch, die Lippen aufeinandergepresst. »Und du rufst an?«, sagte sie zu Mia. »Hast du dein Handy dabei?«
    Â»Ich nehm’s nicht mit.« Als sie Katies missbilligende Miene sah, fügte sie rasch hinzu: »Das ist mir im Ausland zu teuer.«
    Â»Ich hab meines dabei, falls du uns brauchst«, sagte Finn. »Hast du meine Nummer noch?«
    Â»Ja. Ja, ich glaub schon.«
    Dann herrschte Schweigen. Mia fragte sich, was Katie wohl den restlichen Tag so machen würde. Sich
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